Beamte dürfen nicht streiken – das gilt auch für verbeamtete Lehrer. Dies hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 12.06.2018 unmissverständlich klargestellt. Konkret hatten mehrere verbeamtete Lehrer geklagt, die während der Arbeitszeit an Streiks des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für höhere Löhne der Lehrer teilgenommen und dafür Disziplinarstrafen bekommen hatten.
Der Forderung von DGB und GEW, wonach die Treuepflicht der Beamten auf die rein hoheitlichen Aufgaben beschränkt werden und das Beamtenrecht den heutigen Verhältnissen entsprechend weiterentwickelt werden solle, folgten die Richter nicht; auch nicht der Argumentation, dass Beamte bei der Post oder Telekom mittlerweile auch in privaten Unternehmen, also eben nicht hoheitlich, tätig sind.
Die Richter begründeten ihre Bestätigung des Verbots für Beamte und verbeamtete Lehrern, für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen die Arbeit niederzulegen, mit den Besonderheiten des deutschen Beamtenrechts. Zwar sei das Verbot, an Streiks teilzunehmen, ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und verletze auch das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit aus Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Eingriff, so das BVerfG, sei aber gerechtfertigt, denn bei dem Streikverbot handele es sich um einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Der Eingriff in verfassungsmäßige Rechte sei also durch konkurrierendes Verfassungsrecht gedeckt und die Regeln des Berufsbeamtentums wögen in diesem Fall schwerer als das Recht auf Koalitionsfreiheit.
Konkret argumentiert das BVerfG, dass ein Streikrecht für Beamte die Grundstruktur des Beamtentums aushebeln würde. Beamte sollen in ihrer Amtsführung unabhängig sein. Dazu verpflichtet sich der Staat zur Fürsorge – er zahlt hohe Gehälter und Pensionen (Alimentationsprinzip) und sichert dem Beamten eine lebenslange Anstellung und Versorgung zu. Im Gegenzug verpflichtet sich der Beamte zur Treue und Loyalität dem Staat gegenüber und zur vollen Hingabe an das Amt. Könnten Beamte für ihr Gehalt streiken, wären z.B. die Regeln des Staats zur Besoldung obsolet. Damit würde die Balance aus gegenseitigen Rechten und Pflichten von Staat und Staatsdienern ausgehebelt. Rosinenpicken gebe es nicht, so das BVerfG – wenn Beamte die Vorteile der umfassenden staatlichen Versorgung genössen, müssten sie auch die damit einhergehenden Pflichten akzeptieren.
Aus dem gleichen Grund lehnt das BVerfG es auch ab, zwischen Beamten, die unmittelbar hoheitlich tätig sind und Beamten, die andere Aufgaben haben, zu unterscheiden. Dies würde große Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringen und die Zweiteilung der öffentlichen Verwaltung in Beamte und Angestellte ö.D. ohne Not aushebeln. Das BVerfG stellt hier klar, dass alle Beamte, auch verbeamtete Lehrer, zu den Staatsdienern gehören.
Auch einen Eingriff in das Völkerrecht, wie es die Kläger vorgetragen hatten, sah das BVerfG nicht. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK eröffnet die Möglichkeit, einen Eingriff in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit bei Angehörigen der Staatsverwaltung zu rechtfertigen, wenn es zur Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung nötig ist und eine entsprechende verfassungsmäßige und gesetzliche Grundlage im nationalen Recht existiert. Das bejahten die Verfassungsrichter, wiederum mit dem Hinweis auf die Besonderheiten des deutschen Berufsbeamtentums.
Verbeamtete Lehrer – das sind in Deutschland etwa drei Viertel aller Lehrkräfte – dürfen also im Ergebnis nicht wie ihre angestellten Kolleginnen und Kollegen für höhere Löhne und ein besseres Bildungssystem auf die Straße gehen. In der Praxis ist es allerdings oft nicht die Sicherung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags der Länder, den Art. 7 GG vorschreibt, die darüber entscheidet, ob Lehrer angestellt oder verbeamtet werden, sondern der Landeshaushalt. Angestellte Lehrer verdienen nämlich in aller Regel weniger als ihre verbeamteten Kollegen. In Bundesländern, in denen man jetzt mit Verbeamtung lockt, um Hochschulabsolventen gegen den gravierenden Lehrkräftemangel zu gewinnen, führt das zu der abstrusen Situation, dass verbeamtete Neulinge im selben Kollegium mehr Gehalt bekommen als erfahrene angestellte Kollegen. Dieses Zweiklassen-System im Lehrerzimmer trägt sicher nicht zur Lösung der derzeitigen Probleme in den Schulen bei.