Am 10. Oktober 2018 legte die Kultusministerkonferenz ihren lange erwarteten statistischen Bericht zum Lehrereinstellungsbedarf und -Angebot von 2018 bis 2030 vor. Darin konstatiert sie, was in der Praxis seit Jahren bekannt ist und beklagt wird: jährlich verlassen zu wenige Junglehrer die Universitäten, um den aktuellen und zukünftigen Bedarf an den Schulen zu decken. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Schularten, den Bundesländern und auch den Fächern. Gymnasien beispielsweise können sich den Nachwuchs aussuchen, an Grundschulen hingegen fehlen flächendeckend Fachkräfte. Wenig besser sieht es an den Berufs-, Förder- und Sonderschulen aus.
Noch vor wenigen Jahren wurde Abiturienten eher davon abgeraten, den Lehrberuf zu ergreifen, man sprach von „Lehrerschwemme“ und Hochschulabsolventen fanden keine Anstellung. Dieser Trend hat sich umgekehrt. Dafür gibt es verschiedene Ursachen.
Einige sind hausgemacht. So war es z.B. ganz unabhängig von demographischen Entwicklungen seit Langem absehbar, dass viele der Lehrer, die in den 1970iger Jahren eingestellt worden waren, nun nach und nach pensioniert werden. Nach der Wende wurden zudem in den neuen Bundesländern massiv Lehrer abgebaut, einerseits, weil die Geburtenraten stark sanken, andererseits, weil viele Lehrer wegen politischer Vorbelastung entlassen wurden. Neue Lehrer wurden nicht ausgebildet, auch nicht, als die Geburtenraten wieder zu steigen begannen. In vielen Bundesländern ist es zudem bis heute keine Selbstverständlichkeit, in regelmäßigen Abständen die Bevölkerungs- und Lehrerausbildungssituation analysieren zu lassen.
Andere Gründe für den heutigen Mangel an Lehrern waren nicht vorauszusehen. Dazu gehört vor allem die starke Zuwanderung in den Jahren 2014-2016. Selbst Bundesländer, die regelmäßig Bedarfsanalysen erstellen und daraus praktische Konsequenzen ziehen, wie Bayern, waren in diesen Jahren überfordert.
Was die Zahlen der Kultusministerkonferenz Kritikern zufolge zu wenig berücksichtigen, ist, dass die Schulen heute bereits vor Herausforderungen stehen, die sogar noch deutlich mehr zusätzliches Personal erfordern würden. Die Stichworte dazu sind bekannt: Inklusion, Integration, Digitalisierung, Ausbau der Ganztagesschulen. Dazu kommt noch die Rückumstellung der Gymnasien auf G9 in vielen Bundesländern in den kommenden Jahren. Gefordert wird deshalb ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um kurz-, aber auch mittel- und langfristig der Unterversorgung der Schulen mit Personal entgegenzusteuern. Dies sind die wichtigsten:
Eines der Hauptprobleme bei der Bekämpfung des Lehrermangels an Grundschulen ist die immer noch schlechtere Besoldung gegenüber Gymnasiallehrern in vielen Bundesländern. Angesichts der anders gelagerten, aber nicht weniger hohen Anforderungen an die Grundschulpädagogen und der mittlerweile gleich langen akademischen Ausbildung ist diese Ungleichbehandlung ein großes Hindernis, wenn z.B. ausgebildete Gymnasiallehrer für eine Umschulung gewonnen werden sollen. Gefordert wird eine Angleichung der Gehälter auf Besoldungsstufe A13 bzw. E13 für Angestellte.
Auch wird gefordert, mehr Lehramtsstudienplätze zu schaffen, den Numerus Clausus für Lehrämter abzuschaffen oder zumindest zu senken, und die akademische Ausbildung für Lehrer zu verbessern. In diesem Zusammenhang wird bereits seit Jahren gefordert, angehende Lehrer früher und intensiver an die Lehrpraxis heran zu führen, um die Abbrecherquoten in einem späten Stadium der Ausbildung zu senken.
Seiteneinsteiger, die derzeit massiv eingesetzt werden, um fehlende Kapazitäten auszugleichen, müssten zudem viel besser betreut und ausgebildet werden. Oft fehle diesen Fachleuten die pädagogische Kompetenz, was zu frustrierenden Erfahrungen und Demotivation führe. Seiteneinsteiger müssten Mentoren bekommen, also erfahrene Lehrer; diese ihrerseits müssten für diese Zusatzaufgabe von ihren normalen Pflichten entlastet werden.
Langfristig können die Herausforderungen, die gerade durch die Inklusion behinderter Kinder in Regelschulen, die Integration von geflüchteten und z.T. traumatisierten Kindern, oder die Umstellung der Lernumgebung auf die heutige digitale Welt, nur gemeistert werden, wenn die Klassenstärken stark sinken, und wenn die Lehrer Hilfestellung von anderen Professionen bekommen: Sozialpädagogen, Erziehern, Therapeuten, herkunftssprachlichen Lehrkräften und auch von IT-Fachleuten, die es den Lehrkräften ersparen, sich neben allem Anderem auch noch um streikende EDV kümmern zu müssen.