Erstmals seit 2003 wird die deutsche Staatsverschuldung wieder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken – wahrscheinlich noch 2018 und damit erheblich früher, als noch im Frühjahr prognostiziert. Damit hält Deutschland wieder alle Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrags ein.
Grund für den schnelleren Schuldenabbau ist einerseits die sehr gute Wirtschaftslage und die sehr hohe Beschäftigungsquote, die Geld in die Staatskassen spülen; andererseits die niedrigen Zinsen, die die Refinanzierung der Schulden billiger machen. Auch die Tatsache, dass geplante Mehrausgaben teilweise erst später in der Legislaturperiode ausgabenwirksam werden, und die vorläufige Haushaltsführung nach der Bundestagswahl 2017 sorgen für eine eher moderate Ausgabenbilanz. Hinzu kommen wohl konservative Finanzschätzungen der Finanzminister.
Eine niedrige Staatsverschuldung, so Bundesfinanzminister Olaf Scholz, macht den Staat weniger anfällig für Krisen und verringert die Zahllast künftiger Generationen. Experten fordern denn auch, sich mit dem Erreichten nicht zu begnügen, sondern die gute Wirtschaftslage zu nutzen, um die Schulden noch weiter zu reduzieren, am besten in Richtung 50 Prozent des BIP. Risiken gebe es genug: Die Gesundheitsausgaben z.B. wachsen sehr stark, und die Politik weite lieber Rentenleistungen aus, statt das Geld tatsächlich in die Schuldentilgung und damit in die kommenden Generationen zu investieren. Auch Risiken im Kontext der europäischen Garantiesysteme seien nach wie vor hoch. Gerade im europäischen Kontext kann der Bundesfinanzminister nun allerdings wieder mit mehr Glaubwürdigkeit Haushaltsdisziplin von Ländern wie Italien oder Griechenland fordern.
Zum Abbau der Verbindlichkeiten tragen alle Ebenen der deutschen Staatsverwaltung bei: Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen – jedoch nicht in gleichem Maße. Während die Schulden des Bundes um 1,2% sanken, bauten die Länder 3,7% ihrer Schulden ab und die Kommunen 3,5%. Bei den Ländern waren vor allem Sachsen (minus 16% der Landesschulden), Baden-Württemberg und Bayern (je ca. minus 12%) Vorreiter beim Schuldenabbau. Neue Schulden nahm vor allem Hamburg auf; dort kämpft das Finanzministerium immer noch mit den Folgen der Rettung der HSH-Bank im Zuge der Finanzkrise. Kritiker bemängeln allerdings, dass weder Bund noch Länder oder Kommunen wirkliche Tilgungspläne hätten, sondern dass der Schuldenabbau eher zufällig passiere, weil die erwirtschafteten Haushaltsüberschüsse untergebracht werden müssten.
Der massive Anstieg der deutschen Staatsverschuldung begann 2003, als Bundeskanzler Schröder ankündigte, die Staatsausgaben deutlich zu erhöhen, um die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln, und dies durch eine deutlich höhere Staatsverschuldung zu finanzieren. Nachdem Deutschland 2003 das Defizit- und das Schuldenstandskriterium des Maastricht-Vertrages gerissen hatten, setzten der Bundeskanzler und die damalige französische Regierung auf europäischer Ebene eine Aufweichung des Stabilitäts- und Wirtschaftspaktes durch, Sanktionen für Verstöße gegen die Stabilitätskriterien wurden abgeschwächt. Folge dieses „Sündenfalls“ waren unter anderem die starke Neuverschuldung südeuropäischer Länder und die Eurokrise ab 2010. Die Banken- und Konjunkturrettung im Zuge der Finanzkrise erhöhte die deutsche Staatsverschuldung im Jahr 2010 auf 81 Prozent des BIP.
Seitdem haben sich die Finanzminister dem Sparen verschrieben – nicht nur mit positiven Folgen. Gespart wurde zu einem großen Teil, indem Investitionen in infrastrukturelle Maßnahmen nicht oder nur verzögert erfolgten. Die Folgen werden mittlerweile massiv spürbar: Straßen und Brücken sind marode; Schulen sind zum Teil in üblem Zustand; Infrastruktur wird in ländlichen Regionen abgebaut. Um diese Versäumnisse zu korrigieren, werden Bund, Länder und Kommunen in den kommenden Jahren viel Geld in die Sanierung der Infrastruktur, zumal der Verkehrswege, stecken müssen – neben den Investitionen im Zusammenhang mit den technologischen Herausforderungen der Zeit. Als Stichworte hierzu mögen der G 5-Ausbau und die Digitalisierung der Schulen reichen. So sinnvoll es gerade in der Hochzinsphase war, Schulden abzubauen – der Staat wird zukünftig nicht umhin kommen, das rigide Spardiktum der vergangenen Jahre zu überdenken.