In einigen Bundesländern, beispielsweise in Baden-Württemberg und Hamburg ist das „Schreiben nach Gehör“ in Grundschulen mittlerweile verboten. Eine Abkehr von dieser häufig kritisierten Methode erwägt nun auch Nordrhein-Westfalen. Zwar herrsche dort aktuell wie in vielen Bundesländern didaktische Freiheit, mit der die Lehrer sich ihre Methoden also selbst aussuchen dürfen, dennoch wolle die FDP im nächsten Schuljahr prüfen, wie Rechtschreibung an den Grundschulen vermittelt wird. Möglicherweise soll dann das Schreiben nach Gehör, das wissenschaftlich „Lesen durch Schreiben“ heißt, verbieten.
Auch die neue Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien von der CDU steht dieser Lehrmethode skeptisch gegenüber, weshalb sie die Entwürfe ihrer Vorgängerin für neue Lehrpläne erst einmal gestoppt hatte und diese gemeinsam mit Fachleuten noch einmal überarbeiten wolle. Die deutsche Rechtschreibung werde von Kindern und Jugendlichen immer schlechter beherrscht, beobachten auch Eltern und Pädagogen.
Beim Schreiben nach Gehör erstellen Schüler von Anfang an kleine Texte, ohne dass der Lehrer Fehler verbessert. So verfestige sich im Bewusstsein der Schüler, dass richtiges Schreiben nicht so wichtig ist, erklärt die Potsdamer Grundschulpädagogin Agi Schründer, die Politiker als Expertin berät. Kritisch empfindet auch der Deutsche Philologenverband, dass die derzeitige Generation von Schülern so wenig lese und schreibe wie keine zuvor. In den Schulen herrsche zudem oft ein Methodenmix. Auf der reinen Lehre des „Lesens durch Schreiben“ aus den siebziger Jahren beharrten nur noch wenige Lehrer, obwohl noch immer viele Lehrer vermuten, dass sich Kinder durch die Lust am Verfassen zusammenhängender Texte die Rechtschreibung mehr oder weniger selbst aneignen würden.
Doch das Schreiben nach Gehör benachteilige aus Sicht der Kritiker auch speziell Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus bildungsfernen Familien. Beide Gruppen könnten nachmittags nicht mit ihren Eltern das richtige Schreiben üben. Zudem haben Kinder mit anderer Muttersprache oft ein Problem mit der oft verwendeten Anlauttabelle. Zwar ist hierin zu jedem Buchstaben auch ein Gegenstand abgebildet, der mit diesem Buchstaben beginnt; aber ausländische Kinder verbinden mit den Bildern entsprechend andere Laute.
Daher entschied sich Baden-Württemberg, das Schreiben nach Gehör zu verbieten, nachdem das Land in Rechtschreibvergleichen abgesackt war. Auch in Bayern wird „Lesen durch Schreiben“ nicht angewendet und fordert, wie auch Hamburg, einen verbindlichen Grundwortschatz von rund 800 Wörtern, der am Ende der Grundschulzeit korrekt geschrieben werden soll.