Jahrelang wurden Schultoiletten ignoriert und vernachlässigt. In den letzten Monaten aber hat sich dies gewandelt. In Wahlkampfzeiten wird dem Schulklo nun besondere Aufmerksamkeit geschenkt und steht wahlweise sinnbildlich für den Zustand der Bildungspolitik oder für die marode Infrastruktur Deutschlands insgesamt. Dennoch ist klar: Jedes verstopfte Schulklo ist in Zeiten von Rekordüberschüssen der öffentlichen Hand – im ersten Halbjahr 2017 rund 18,3 Milliarden Euro – eine Bankrotterklärung der Politik.
Nun kümmert sich in Berlin der Regierende Bürgermeister Michael Müller höchstpersönlich um Schulklos und auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will mehr in diese vernachlässigten Orte investieren. Die Ruhrstadt Essen hat gar ein ganzes „Schultoilettenprogramm“ verabschiedet. Dort werden noch in diesem Jahr die Toilettenanlagen an vier Schulen für etwa eine Million Euro neu gebaut oder saniert. Bis 2021 ist eine Investition von insgesamt 6,5 Millionen Euro geplant. Sogar die FDP will sich um die Schulklos kümmern. So hat der FDP-Vorsitzende Christian Lindner erst kürzlich erklärt, dass er vor jedem seiner Auftritte zunächst die sanitären Anlagen in Augenschein nehme, weil er immer neugierig sei, wie viel Respekt den Menschen entgegengebracht werde.
Aber umgekehrt lässt sich auch fragen, wie viel Respekt die Menschen dieser elementaren Ausstattung unserer Zivilgesellschaft entgegenbringen. Und wie konnte es so weit kommen, dass die Schultoilette zum Wahlkampfthema wurde? Dabei kann eine dramatische Verlotterung der Sitten ausgeschlossen werden, zumindest gibt es hierfür nur wenig belastbare Fakten oder gar eine jährliche Evaluation oder regelmäßige Kostenerhebungen von Vandalismusschäden. Dennoch zeigt auch dieses Fehlen der Daten die Ignoranz zum Zustand der sanitären Anlagen in Schulen. Der „Investitionsstau“ der öffentlichen Hand bei Unterhalt und Ausbau von Schulen ist nach dem „Kommunalpanel 2017“ der staatlichen Förderbank KfW, mit 32,8 Milliarden Euro enorm. Diesen Betrag würden Städte, Gemeinden und Landkreise in den nächsten Jahren gerne mehr ausgeben, um alle Reparaturen, Erweiterungen und Neubauten vollziehen zu können, doch tatsächlich investierten sie 2016 nur ein Zehntel davon.
Zwar war der Zustand der Schultoiletten schon immer ein Thema zwischen Schülern, Lehrern und Eltern, doch mit dem Pisa-Schock um die Jahrtausendwende wurde nach Ansicht der KfW die Bildung ein gesamtgesellschaftliches Thema, das sich auch Bundespolitiker nicht entgehen lassen wollen. So wurden auf Bundesebene Leistungen beschlossen, die auf Kommunalebene zu höheren Ausgaben geführt haben wie beispielsweise die Inklusion behinderter Kinder, die Einführung der Ganztagsschule und die Umstellung auf das Turbo-Abitur nach zwölf Schuljahren. Daher stellte der Bund zumindest 3,5 Milliarden Euro für die Sanierung von Klassenräumen, Turnhallen und auch für Schultoiletten bereit.