Seine über 22.000 Kilometer langen Hochspannungsleitungen will der Stromnetzbetreiber Tennet mithilfe des Autobauers Volkswagen effizienter steuern und so auch Kosten sparen. Die beiden Unternehmen haben dafür eine Entwicklungszusammenarbeit vereinbart. Obwohl die Entscheidung der Markenvorstände des Automobilkonzerns über die Einführung der Technik derzeit noch aussteht, könnte sie noch im Laufe dieses Jahres fallen.
Mit der Zusammenarbeit würden die Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns in Zukunft mithilfe der serienmäßig verbauten Regen-, Licht- und Sonnensensoren Wetterdaten sammeln und diese dem Stromnetzbetreiber in Echtzeit zur Verfügung stellen. Der niederländisch-deutsche Netzbetreiber könnte daraufhin mit Rechenprogrammen aus den Schwarmdaten ein hochaktuelles, kleinteiliges Bild des Wetters und Mikroklimas in Deutschland und ganz Europa zusammensetzen. Mittels dieser so erstellten Kurzfristprognosen soll es bald möglich werden, die Stromeinspeisung von Solaranlagen an jedem Ort minutengenau vorherzusehen. Damit könnte das Stromnetz effizienter gesteuert werden als bisher, denn „eine schlechte Qualität der Wetterprognose bedeutet, dass wir mehr Sicherheit einkaufen müssen“, erklärt Tennet. Das Unternehmen rechnet damit, mit der genaueren Solarprognose deutlich weniger Regelenergie einkaufen zu müssen, um die Produktionsschwankungen der rund 1,5 Millionen deutschen Fotovoltaik-Anlagen auszugleichen.
Dazu wurde im August vergangenen Jahres in Braunschweig ein Praxistest mit vier Golf-Fahrzeugen durchgeführt, der diese Erwartung bestätigt habe. Für Tennet könnte die Kostenersparnis im Netzbetrieb sogar „substanziell“ sein, lautete es nach dem Test.
Zwar gilt Deutschland bei der Energiewende als Musternation und der Anteil an erneuerbaren Energien steigt stetig, doch mit ihm steigen auch die Strompreise. Beim Verkehr hat Deutschland allerdings noch Nachholbedarf. Mit dem gemeinsamen Projekt von Autokonzern und Stromnetzbetreiber soll nicht nur der Anstieg der Netzkosten gebremst werden, sondern die auf der Straße erhobenen Daten sollen für die Energiewende noch mehr Nutzen stiften. „Bislang stand eine zentrale Softwarewelt einer dezentralen Energiewelt gegenüber“, so Tennet. Diese beiden Welten sollen nun erstmals zusammengeführt werden. Damit komme man dem Ziel der Bundesregierung, den Straßenverkehr mit der Energiewende zu verzahnen, sehr viel näher. Mit mehr Transparenz im System könne künftig auch der Bau neuer Stromnetze begrenzt werden.
Dabei sieht das Unternehmen jedoch keine Datenschutzprobleme, schließlich benötige man keine personenbezogenen Daten. Im Pilotversuch wurden die Daten nach Postleitzahlgebieten zusammengefasst und anonymisiert. Schon jetzt nutzen Navigationssysteme wie TomTom oder Inrix die Bewegungsdaten von Handynutzern, um beispielsweise die Verkehrsdichte und Staus per „Crowdsourcing“ zu erfassen. Mit der Zustimmung der Handynutzer zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs), dem „Kleingedruckten“ ihrer Geräte und Apps, wird der Weitergabe der Daten zugestimmt. Dieses Vorgehen würde dann für VW-Fahrer als Wetterwarner ebenso gelten, so VW.