In Deutschlands Notaufnahmen geht es immer öfter ruppig zu. Die Belastung der Mediziner steigt, die Zahl der Patienten auch. Die Stimmung ist angespannt. Früher hatten Patienten nachts oder am Wochenende den Hausarzt angerufen, wenn sie Hilfe brauchten. Heute gibt die Mehrheit der Befragten in einer aktuellen Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung an, das Angebot der Notfallpraxen oder die Telefonnummer 116 117 überhaupt nicht zu kennen. Außerdem ist die Wahl des richtigen Ansprechpartners kompliziert: Notarzt oder ärztlicher Notdienst? Notaufnahme oder Bereitschaftsdienst der kassenärztlichen Vereinigungen? Daher sucht knapp die Hälfte der Befragten Hilfe im Krankenhaus, ein Viertel ruft den Rettungsdienst, der die Patienten dann wiederum in die Notaufnahme bringt.
Dazu erwarten die Menschen heute eine 24-Stunden-Rundumversorgung, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin. Sie wollen keine Überweisungsscheine zum Orthopäden, der erst Wochen später Zeit findet, sich die Schulterschmerzen anzuschauen. Zudem verstehe niemand mehr, warum man drei Wochen auf einen Befund warten soll, wenn er ihn in drei Stunden bekommen kann. Am liebsten nach Feierabend. Verständnis für eine Wartezeit von drei Stunden habe kaum einer. Stattdessen treten immer häufiger Respekt-, Distanzlosigkeit und aufgeblasene Egos unter den Patienten auf.
Aus einer im Deutschen Ärzteblatt erschienenen Erhebung gaben 90 Prozent der befragten Ärzte und Pfleger an, selbst schon einmal Ziel eines Angriffs in einer Notaufnahme gewesen zu sein. So gibt es zwischenzeitlich im Klinikum Bogenhausen, einem der größten Notfallzentren der Stadt München, einen Notfallknopf unter dem Tresen der Pfleger und eine Glasfront am Empfangstresen.
Zuweilen wird von Chefärzten auch vermutet, dass die Notaufnahmen zum Symbol für eine rasende Entwicklung der Medizin geworden sind und die Menschen daher annehmen, dass sie an dem Ort voller Hightech auch wirklich alles an Behandlung bekommen, was möglich ist. Dazu läge oft der Verdacht nahe, dass die Patienten ihren Fall dringlicher machen als er tatsächlich ist. Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, hat Chefarzt Christoph Dodt hierzu elf Thesen publiziert. Eine Entwirrung der Dinge sei dazu ein erster, wichtiger Schritt. Dies könnte mithilfe eines intersektoralen Notfallzentrums erreicht werden, sozusagen einer All-in-one-Lösung, wie sie auch im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen diskutiert wird. Dort sollen die Patienten unabhängig von der Dringlichkeit zügig behandelt werden, bevor sie wütend im Notaufnahmenstau stehen. In dem Notfallzentrum wären alle Disziplinen unter einem Dach vereint und der Patient könnte schnell der entsprechenden Fachrichtung zugewiesen werden, ohne dass die Notaufnahme vollgestopft wäre.