In der Zukunft könnten Patienten nicht mehr im Wartezimmer sitzen müssen, sondern sich von zu Hause aus per Videochat vom Arzt eine Diagnose stellen, ein Medikament empfehlen oder Bettruhe verordnen zu lassen, denn der Doktor entscheidet nur in schlimmeren oder komplizierten Fällen, dass der Patient in die Praxis kommen oder zu einem Spezialisten gehen soll. Noch ist dieses Vorgehen in Deutschland allerdings nicht erlaubt. Doch die Bundesärztekammer hat sich dafür ausgesprochen, Diagnosen über den Bildschirm oder per Telefon künftig zumindest in Ausnahmefällen zu erlauben. Schon beim nächsten Deutschen Ärztetag im Mai 2018 in Erfurt wollen Ärztevertreter voraussichtlich offiziell hierüber entscheiden. Es werde erwartet, dass dies auch mehrheitlich beschlossen wird.
Aktuell dürfen Ärzte dann Folgebehandlungen per Videosprechstunde anbieten, wenn sie den Patienten bereits in ihrer Praxis behandelt haben. So können sie beispielsweise prüfen, ob eine Wunde gut heilt. Daher seien die Änderungen im Bereich der Fernbehandlung wichtig, um Telemedizin in Deutschland zu stärken. Mithilfe der kompetenten Diagnosen aus der Ferne könne auf dem Land, trotz Ärztemangel, eine gute Gesundheitsversorgung sichergestellt werden.
Dazu wird zum Jahresbeginn in Baden-Württemberg ein Pilotprojekt zum Thema Fernbehandlungen für Privatversicherte begonnen. Ab März dürfen dann alle Patienten daran teilnehmen. Bei anderen Pilotprojekten, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und in Berlin konnten bereits Pfleger aus Altenheimen den Hausarzt per Videoschalte zu den Bewohnern holen. Damit entfallen in vielen Fällen lange Anfahrtswege und Wartezeiten für Ärzte und Patienten. In Pilotversuchen haben auch Hausärzte schon per Videoschalte Spezialisten zurate gezogen.
Unterstützt wird die Bundesärztekammer in der Sache auch von den Gesundheitsexperten der Verbraucherzentrale. In Ländern wie der Schweiz und Großbritannien gehöre die Telemedizin bereits zur Regelversorgung, die für bestimmte Medizinfelder gleich gut wie ein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient sei. Künftig würden Videosprechstunden ein ganz normaler Bestandteil der Versorgung sein. Auch die Bertelsmann Stiftung fand 2015 heraus, dass es für jeden zweiten Deutschen kein Problem wäre, mit einem Arzt am Bildschirm zu sprechen.
Dabei bieten in Deutschland erst einige Hundert der knapp 379.000 zugelassenen Ärzte Videosprechstunden an. Die Ärztekammern sehen dies mit der geringen Bezahlung der Krankenkassen für Videosprechstunden begründet. Hinzu komme, dass die hierfür benötigte Software monatlich 30 bis 70 Euro pro Monat kostet. Weiter eingeschränkt werden die Ärzte dahingehend, dass sie für Videosprechstunden jährlich maximal 800 Euro pro Jahr abrechnen dürfen, dies jedoch auch nur für vergleichsweise günstige Folgebehandlungen.