Obwohl ein angehender Lehrer erst Politikwissenschaften, später Sozialkunde, Deutsch, Geschichte und Sport auf Lehramt studiert und schließlich das erste Staatsexamen abgelegt hatte, erhielt er wenige Tage bevor er im September als Beamter auf Widerruf vereidigt werden sollte eine E-Mail von der Regierung, in der seine Vereidigung aufgrund von Zweifeln an seiner Verfassungstreue abgesagt wurde.
Der angehende Lehrer hatte bei seiner Bewerbung für das Referendariat einen Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue ausfüllen müssen, worin er wahrheitsgemäß angab, dass er während des Studiums in der Linksjugend solid und im Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband (SDS) aktiv gewesen war, davon sogar ein Semester lang im Bundesvorstand. In dieser Zeit protestierte er auch gegen die militärische Forschung an staatlichen Hochschulen sowie gegen Studiengebühren.
In Bayern ist der Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue üblich, wenn auch laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) „ein Relikt aus vordemokratischen Zeiten". Hiermit soll überprüft werden, ob der Beamtenanwärter eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Ordnung darstellt.
Nach dem Erhalt des Fragebogens wandte sich die Regierung von Oberbayern an das Landesamt für Verfassungsschutz, um weitere Informationen über den Anwärter zu erhalten. Ähnliche Anfragen erhielt das Landesamt für Verfassungsschutz im vergangenen Jahr über 1290 mal. „Erkenntnisse“ übermittelte es nur zu 13 Personen. Darunter fielen Informationen zu Mitgliedschaften der Bewerber in Organisationen, die als nicht konform mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelten.
Die GEW ist über das Vorgehen empört. So sei das Verhalten der Regierung verantwortungslos. Schließlich gebe es ohnehin kaum noch Lehrer an bayerischen Mittelschulen. Und auch der SDS spricht sich für den angehenden Lehrer aus. "Sein Führungszeugnis ist leer, er wurde in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt angeklagt oder verurteilt".
Die Regierung von Oberbayern versteht die Aufregung hingegen nicht, denn für jemanden, der Beamter werden wolle und einmal in einer als rechtsextremistisch eingestuften Organisation war, sei das Vorgehen das Gleiche. Zwar gestattete ihm die Regierung dem angehenden Lehrer zunächst eine Hospitanz an der ihm zugewiesenen Schule und er durfte sogar an Weiterbildungsseminaren teilnehmen, während seine Verfassungstreue noch abschließend geklärt werden sollte, doch er erhielt weder Geld noch durfte er allein vor einer Klasse unterrichten. Nach einer Anhörung bei der zuständigen Regierungsdirektorin zu seiner politischen Meinung wollte diese ihn zum Referendariat zulassen und übermittelte das Anhörungsprotokoll dem Verfassungsschutz und dem Kultusministerium. Beide Stellen teilten ihm jedoch mit, dass er nicht zum Referendariat zugelassen werde und seine Hospitation bis Ende des Monats beenden müsse.
Der angehende Lehrer reichte schließlich Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht ein, damit er seine Ausbildung fortsetzen kann, ein Gehalt bekommt und Beamter auf Widerruf wird. Einen ersten Teilerfolg konnte er bereits erzielen: In einer einstweiligen Anordnung erlaubten die Richter, dass der angehende Lehrer seine Hospitation bis Ende des Schuljahres fortsetzen darf. Sogar die Regierung von Oberbayern plant, ihm nun ein Gehalt zu zahlen. Die GEW bezeichnet dies als absolutes Novum: Der angehende Lehrer ist der erste Referendar in Bayern, der nicht Beamter auf Widerruf ist, sondern Angestellter.