Nach der öffentlichen Diskussion um mehrere Skandale bei der Bundeswehr ist auch die Anzahl der internen Beschwerden über sexuelle Belästigung, rechtsextreme Auswüchse und Fehlverhalten von Vorgesetzten laut dem Verteidigungsministerium massiv angestiegen. Das Ministerium hatte die entsprechenden Zahlen des ersten Halbjahres 2017 bestätigt. Dazu erklärte ein Ministeriumssprecher, es gäbe einen klaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem hohen Meldeaufkommen und der öffentlichen Diskussion um die angeblich sexuell-sadistische Praktiken an einem Standort und speziell zu dem Fall des rechtsextremen und terrorverdächtigen Offiziers.
In letzter Zeit muss die Verteidigungsministerin deswegen viel Kritik ertragen. Ähnlich stark zugenommen hatte auch die Zahl der Beschwerden vor vier Jahren, in denen angebliches Fehlverhalten Vorgesetzter gegenüber Untergebenen gemeldet wurde. So wurden 2016 nur 28 solcher Fälle gemeldet, bis zum 9. Juli 2017 dagegen seien es schon 56 gewesen. Dabei hatte die Anzahl der Meldungen zu Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit 127 erfassten Verdachtsfällen bereits fast das Vorjahresniveau von 128 Fällen erreicht. Auch Vorkommnisse mit rechtsextremem oder fremdenfeindlichem Hintergrund wurden dem Ministerium bereits im ersten Halbjahr 2017 mit 96 Verdachtsanzeigen weitaus mehr gemeldet im Vergleich zum gesamten Vorjahr mit nur 63 Anzeigen.
Nach Ansicht des Sprechers sei der Anstieg der Beschwerden jedoch auch als Ergebnis in der Reform des internen Meldesystems begründet, das erst im ersten Quartal 2017 verändert worden war. Damit würden Beschwerden nun „schneller und umfangreicher nach oben geleitet". Die erhöhte Zahl der Meldungen sei daher "ein gutes Zeichen, dass die Sensibilität in der Truppe für solche Vorkommnisse messbar gestiegen ist". Mithilfe der aktuellen Diskussionen in der Öffentlichkeit und in der Bundeswehr falle es zudem den Betroffenen leichter diese Angelegenheiten anzusprechen. Da dem von Ursula von der Leyen (CDU) geleiteten Ministerium eine "Kultur der Offenheit und Verantwortung" wichtig sei, ist das Erkennen und Ansprechen von Fehlern besonders wichtig. Demnach wurden nicht nur neue Fälle, sondern auch eine Vielzahl alter Vorkommnisse gemeldet. Möglicherweise wurden sie "aus der Perspektive der Betroffenen zuvor noch nicht angemessen bearbeitet oder gewürdigt", erklärte ein Ministeriumssprecher. Ergänzend wurde erläutert, dass einige Fälle „teils auch mit Blick auf die Schwere der Vorwürfe noch einmal neu betrachtet werden" müssten.