Es ist bekannt, dass die Bundeswehr in keinem guten Zustand ist. Das gibt selbst das Verteidigungsministerium zu. Es fehlt an Nachwuchs, einsatzfähigen Panzern, Flugzeugen und Kriegsschiffen. Dabei versucht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit immer neuen „Trendwenden“ seit ihrem Amtsantritt 2013 die Lage zu verbessern. Inzwischen wirbt sie jedoch immer lauter um Geduld. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte sie eingestanden, dass sich der Sparkurs seit der Wiedervereinigung nicht in zwei Jahren umkehren lasse. Außerdem fordere das Mehr an Manövern zur Landes- und Bündnisverteidigung die Bundeswehr immer stärker.
Relativ ruhig ging es bisher zumindest an einer Front für die Verteidigungsministerin zu. Zwar ist der Unmut im Offizierskorps der Bundeswehr schon länger groß, dennoch wurde er bisher meist nur intern, hinter vorgehaltener Hand, geäußert. Ranghohe Offiziere kritisieren die eigene politische Führung so gut wie nie öffentlich, da allzu laute Kritik in Offizierskreisen die Karriere schädigt. So kann beispielsweise jeder Verteidigungsminister seine Generale und Admirale ohne Angabe von Gründen entlassen.
Insofern ist es erstaunlich, dass der ranghohe Marineoffizier Kapitän zur See Jörg-Michael Horn– einen Rang von einem Admiralsstern entfernt – seine öffentliche Abschiedsrede als Kommandeur des größten Kampfverbandes der Deutschen Marine zu einer Generalabrechnung mit der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt genutzt hat. Künftig wird er im Bundesamt für Personalmanagement, als Referatsleiter arbeiten. Auslöser für die öffentliche Kritik, so deutet er an, sei der Vertrauensverlust seit dem 30. April 2017 in die politische Führung. Zu dieser Zeit hatte die Verteidigungsministerin im Zuge von Fällen fragwürdiger Rituale, rechtsextremen Terrorismus und Wehrmachtsmemorabiliae pauschal von einem Haltungsproblem militärischer Vorgesetzter gesprochen und der Bundeswehr eine Führungsschwäche attestiert. Zwar hatte sie später die Aussage relativiert, doch diese Aussage habe ihn selbst mit knapp 30 Jahren im Dienst der Bundeswehr erschüttert.
Der Kapitän forderte dazu auf, die „falschen Zeichen, die (…) von Frau Ministerin von der Leyen gesetzt wurden“, zu korrigieren. Wenn in der Außendarstellung nicht korrigiert werde, dass die Bundeswehr gerade kein Arbeitgeber wie andere auch sei, würden die Falschen geworben werden. Aus seiner Zeit beim 2. Fregattengeschwader könne er feststellen, dass die angekündigte „Personalwende“ in der Bundeswehr nicht an Bord der Kriegsschiffe ankäme. Schließlich erhöhe die Überbetonung von Standort-Kitas und einer Soldatenarbeitszeitverordnung nicht die Attraktivität der Marine. Stattdessen sollte auf ein Wertesystem mit so altmodischen Kategorien wie Tapferkeit und Opferbereitschaft, Kameradschaft und Loyalität gesetzt werden, um in der eigenen Arbeit einen Sinn zu sehen.