Seit Finanzminister Scholz den Länder-Finanzministern gestern seine Pläne für eine Reform der Grundsteuer vorgestellt hatte, gibt es Kritik von allen Seiten. Worum geht es, woran entzündet sich die Kritik?
Die Grundsteuer schafft den Kommunen einen Ausgleich dafür, dass Grundstücke ihnen Kosten verursachen, weil z.B. Infrastruktur (Straßen, Stromtrassen etc.) gebaut und aufrecht erhalten werden muss. Die Grundsteuer wird von den Eigentümern der Grundstücke erhoben, die sie im Zuge der Nebenkostenabrechnung auf ihre Mieter umlegen können. Sie fließt direkt an die Gemeinde und ist mit etwa 13-15% des Gesamtbudgets ein wesentlicher – und vor allem: konjunkturunabhängiger – Faktor der Finanzierung der Gemeinden. Berechnet wird die Grundsteuer aus drei Faktoren: dem Einheitswert, den die Gemeinde einem Grundstück beimisst, der Grundsteuermesszahl, die ein von der Art des Gebäudes abhängiger Bruchteil des Einheitswertes ist, und einem Hebesatz, also einem Multiplikator der Grundsteuermesszahl, der von den Gemeinden individuell festgelegt werden kann und deutschlandweit stark schwankt.
Der Einheitswert, also der Wert der Grundstücke und Gebäude, wurde in den alten Bundesländern zuletzt 1964 festgelegt, in den neuen Bundesländern 1935. Zwar hätte in den alten Bundesländern eine regelmäßige Anpassung der Einheitswerte stattfinden müssen, passiert ist das jedoch wegen des hohen Aufwandes nie – mit dem Ergebnis, dass die Einheitswerte sich im Lauf der Jahre immer weiter von den realen Grundstückswerten entfernten. Aufgrund dieser eklatanten Verzerrungen erklärte das Bundesverfassungsgericht im April 2018 die derzeitige Berechnungsmethode für verfassungswidrig und gab dem Gesetzgeber auf, bis Ende 2019 neue Bewertungsregeln zu schaffen und diese bis Ende 2024 umzusetzen. Das ist nicht viel Zeit. Bereits im Frühjahr 2019 muss deshalb ein Gesetzentwurf vorliegen, um das Gesetzgebungsverfahren bis Ende 2019 abschließen zu können.
Der Vorschlag, den der Bundesfinanzminister nun vorlegte, nennt zwei Modelle der Neuberechnung der Grundsteuer: ein wertbezogenes Modell und das sog. Flächenmodell. Ziel ist es, eine rechtssichere Bemessungsgrundlage zu schaffen, die Grundsteuer sozial gerecht zu gestalten und vor allem: das Grundsteueraufkommen der Kommunen konstant zu halten. In der Diskussion sind neben den beiden genannten noch weitere Vorschläge, etwa der Vorschlag des Mieterbundes, die Grundsteuer zu einer reinen Bodensteuer zu machen, die die Art der Nutzung des Grundstücks gar nicht berücksichtigt. Damit könnten Anreize geschaffen werden, unbebaute Flächen nicht länger zu Spekulationszwecken brach liegen zu lassen. Allerdings erfüllt dieser Vorschlag die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht, welches fordert, die Grundstücke in der Relation realitätsgerecht zu bewerten.
Geht es nach dem Bundesfinanzminister, soll künftig für jede Wohnung separat die Grundsteuer nach dem Wertmodell berechnet werden. Die Faktoren, die in die Berechnung einfließen, sind die Nettokaltmiete – bei Eigentümern in selbstgenutzten Immobilien soll anhand regionaler Mietpreisstufen eine fiktive Miete angesetzt werden –, die Wohnfläche, das Baujahr, die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert. Damit stellt der Vorschlag nicht nur auf das Grundstück an sich ab, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit der Eigentümer – wo die Grundstücke viel wert sind, sollen die Grundstückseigentümer stärker an den kommunalen Kosten beteiligt werden. Das Wertmodell gilt daher als prinzipiell sozial gerecht. Die Kritik entzündet sich daran, dass dieses Verfahren ungeheuer aufwändig wäre. Einige Faktoren wie Grundstücksgrößen und Bodenrichtwert liegen zwar vor, zahlreiche Daten, die den Wert der Gebäude betreffen, müssten aber erst umständlich im Wege von Steuererklärungen der Eigentümer erhoben werden. Befürchtet wird ein bürokratisches Monster, das einen erheblichen Teil der Steuereinnahmen für die Verwaltung verschlingt. Zudem gilt, dass Grundstücke in Großstädten und Ballungsgebieten viel mehr wert wären als in ländlichen Regionen, in denen die Mieten niedriger sind. Gerade in den Gebieten, in denen Grundstückspreise und Mieten sowieso explodieren, würde daher die Grundsteuer aller Voraussicht nach stark steigen. Vermieter könnten diese Mehrkosten auf die Mieter umlegen. Um derart steigende Mieten zu verhindern, schlägt Finanzminister Scholz vor, die Steuermesszahl drastisch zu senken und auch über die Hebesätze könnten Kommunen versuchen, die Kostenexplosion einzudämmen. Experten sind dennoch skeptisch. Der Mieterbund schlägt daher vor, die Grundsteuer – die eine Eigentumssteuer sei – völlig aus dem Katalog der umlegbaren Nebenkosten zu streichen.
Die Alternative zum Wertmodell ist das sog. Flächenmodell, das der Verband Wohneigentum und einige Bundesländer, darunter Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, favorisieren. Dabei wird die Grundsteuer allein aufgrund der Grundstücks- und Gebäudefläche festgelegt. Teilweise wird noch ein Ausgleich durch Einführung eines Multiplikators für verschiedene Nutzungsarten ins Spiel gebracht. Der Verwaltungsaufwand wäre vergleichsweise überschaubar. Das Modell gilt aber als sozial ungerecht, weil die Besitzer von Luxus-Immobilien in Großstädten nicht mehr zahlen müssten als die Besitzer ländlicher Grundstücke, auf denen nur eine Hütte steht.
Im Januar treffen sich die Finanzminister erneut, um die verschiedenen Möglichkeiten auszuloten, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen.