Während in den Großstädten um Wohnraum gerungen wird und die Preise stetig steigen, stehen nahe der polnischen Grenze Wohnhäuser, alte Fabriken, Postämter und Bahnhöfe leer und rotten vor sich hin. Zwar haben die meisten von ihnen noch nominell einen Eigentümer, doch immer mehr Gebäude gehören niemandem mehr. Vor allem in den neuen Ländern gebe es zahlreiche Fälle von herrenlosen Häusern, erklärt der Deutschen Städte- und Gemeindebund. So suchten Thüringen und Sachsen schon nach Lösungen hierfür.
In Bayern seien nach Aussagen des Finanzministeriums auch 274 Flurstücke, also Grundstücke mit oder ohne Bebauung, als herrenlos verzeichnet, denn anders als viele annehmen, fällt ein Grundstück nach einer Eigentumsaufgabe keineswegs automatisch an die Kommune oder das Land zurück. Obwohl der Fiskus des Landes, in dem sich das herrenlose Grundstück befindet, den Erstzugriff besitzt, macht das Land hiervon jedoch nur Gebrauch, wenn „Staatsbedarf“ besteht, weil das Grundstück noch einen Wert hat oder ein Gebäude das Stadtbild prägt. Wenn das Land hierauf verzichtet, wird der Besitz herrenlos, mit der Folge, dass sich theoretisch jeder als neuer Eigentümer ins Grundbuch eintragen lassen kann.
Die Dereliktion, die Eigentumsaufgabe, von Grundstücken und Häusern wird in Paragraph 928 BGB geregelt. Durch eine Verzichtserklärung gegenüber dem Grundbuchamt kann der Besitz aufgegeben werden. Hiervon ausgenommen ist das Miteigentum. So ist es nicht möglich, sich einer Eigentumswohnung oder dem Sondereigentum einer Hausgemeinschaft auf dieser Weise zu entledigen. Mit einer Verzichtserklärung in einer vom Notar beglaubigten Urkunde wird die Aufgabe üblicherweise angestoßen. Anschließend trägt das Grundbuchamt den Verzicht auf das Grundstück ein. Zwar ist der Eigentümer damit seinen Besitz los, doch die Rechte Dritter bleiben bestehen. Bestehen für das Haus oder Grundstück noch Schulden, muss ein neuer Besitzer diese automatisch übernehmen. Daher verzichten die Länder auch häufig auf die Übernahme der Häuser und Grundstücke. Meistens handelt es sich nämlich um wertlose Grundstücke und Häuser, die zudem noch mit Schulden beladen sind.
Doch die herrenlosen Häuser werden vor allem für die Kommunen zu einem immer größeren Problem. Die Gemeinde hat nämlich die Verkehrssicherungspflicht, muss sicherstellen, dass keinem Passanten ein Dachziegel auf den Kopf fällt. Die Kosten hierfür hat die Gemeinde zu tragen. Doch schlimmer noch sind die Signale, die von verlassenen Gebäuden ausgehen. Schnell entsteht das Gefühl, dass sich „die da oben“ schon lange nicht mehr um die Bewohner kümmern. Gerade bei prägnanten Bauten wie einem ehemaligen Adelssitz, einer Kirche oder einem Bahnhof tritt besonders oft Frust in der Bevölkerung zutage.