Derzeit testet Finnland das bedingungslose Grundeinkommen. Dort erhalten seit Beginn des Jahres 2000 zufällig ausgewählte arbeitslose Finnen für zwei Jahre lang bedingungslos monatlich 560 Euro vom Staat. Andere Sozialleistungen gibt es dann nicht weiter. Spannend wird die Erkenntnis, wie sich die auserwählten Finnen nun verhalten werden. Werden sie fleißiger oder fauler, kreativer oder lethargischer? Wird es den Sozialstaat mehr oder weniger Geld kosten, wenn anstelle der kompliziert zu beantragenden und dauernd bedarfsgeprüften Hilfeleistungen ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle tritt? Möglicherweise ist das Experiment aber gar kein tatsächliches Grundeinkommensexperiment, denn ein bedingungsloses Grundeinkommen ist in einer Höhe zu berechnen, die das Existenzminimum sichert, was derzeit in Finnland bei monatlich rund 1000 Euro liegt, nicht bei den im Test ausgezahlten 560 Euro. Entsprechend ist der Testkandidat auch weiterhin gezwungen, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Außerdem würde unter realen Bedingungen der jeder Einzelne in der Gesellschaft tatsächlich über ein bedingungsloses Grundeinkommen verfügen. Die Bedeutung für Arbeit, Bildung, Politik und Wirtschaft bleibt somit trotz des finnischen Experiments völlig unklar.
Obwohl in verschiedenen Städten (beispielsweise in Kanada, Alaska, Namibia oder Kenia) mehr oder weniger liberale Sozialstaatsmodelle und private Philanthropie getestet wurden, gab es noch nie ein Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen. Aber fraglich ist, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt testen lässt. Möglicherweise muss es einfach nur geübt werden, wie auch Demokratie, Rechtsstaat oder Menschenrechte.
Das bisher wichtigste Experiment in Sachen bedingungsloses Grundeinkommen war die Schweizer Volksabstimmung 2016. Dort wurden die Schweizer Bürger als Souverän gefragt und jeder vierte Wähler war schon für das Grundeinkommen. Auch in Deutschland ist vor rund zehn Jahren dank der provokanten Thesen des Drogeriemarkt-Gründers Götz W. Werner die öffentliche Debatte so richtig entbrannt. So verlost der Berliner Verein "Mein Grundeinkommen" per Crowdfunding gesammelte Spenden. Die erst vor einem Jahr gegründete Ein-Themen-Partei Bündnis Grundeinkommen (BGE) wird sogar bei der kommenden Bundestagswahl in allen 16 Bundesländern antreten und die schleswig-holsteinische Jamaika-Koalition plant ein Grundeinkommen regierungsseitig zu entwickeln und in Schleswig-Holstein als Modellregion zu erproben.
Dabei kann sich jeder auch ohne Experiment fragen: Wie verhalten wir uns heute, wenn wir ausschließlich an den eigenen Geldbeutel denken müssen? Oder wenn wir finanziell abgesichert sind? Wie wirkt Bedingungslosigkeit? Und wie Zwang? Welche Leistungen bedürfen Anreizen von außen, welche entstehen freiwillig?