Ab heute bis zum Samstag tagen in Hamburg die Delegierten der CDU-Landesverbände. Trotzdem noch eine Reihe weiterer Entscheidungen auf der Tagesordnung stehen, wird vor allem die Wahl des oder der neuen Parteivorsitzenden mit großer Spannung erwartet – immerhin ist es nicht unwahrscheinlich, dass das eine Vorentscheidung für die nächste Kanzlerin oder den nächsten Kanzler ist.
Drei Kandidaten stehen derzeit offiziell zur Wahl: der ehemalige Fraktionsvorsitzende Merz, Bundesgesundheitsminister Spahn und CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer. Ein vierter Kandidat wird vermutlich der Unternehmer Andreas Ritzenhoff sein; er hat angekündigt, auf dem Parteitag zu kandidieren. Da die Delegierten zudem weitere Kandidaten vorschlagen können, ist es nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Bewerber dazukommen.
In den vergangenen Monaten haben sich die drei Kandidaten in 8 Regionalkonferenzen der Parteibasis vorgestellt. Die Parteiprominenz hatte sich stets mit Wahlempfehlungen zurück gehalten. Das änderte sich, als sich Bundestagspräsident Schäuble offen hinter Merz stellte, mit dem ihn bereits seit langem eine persönliche Freundschaft verbindet. Beide gehören dem wirtschaftsliberalen Flügel der Partei an. Schäubles Votum hat viel Gewicht – sicher ist Merz‘ Wahl deswegen aber nicht. Gegen ihn hat sich Bundeswirtschaftsminister Altmeier positioniert: Er kritisierte Schäubles Einmischung, bisher hätte sich die Parteiprominenz aus Respekt vor den Delegierten mit Wahlempfehlungen zurück gehalten. Nachdem der „Dammbruch“ nun aber vollzogen sei, stellte er sich hinter Annegret Kramp-Karrenbauer.
Auch mehrere CDU-Verbände haben mittlerweile Stellung bezogen. Der erste war die Frauen-Union – sie unterstützt Annegret Kramp-Karrenbauer. Mittlerweile hat sich auch der Arbeitnehmerflügel CDA auf ihre Seite gestellt. In diesem Verband ist Annegret Kramp-Karrenbauer seit Jahrzehnten aktiv. Auch die KPV, die einflussreiche Kommunalpolitische Vereinigung von CDU und CSU, steht hinter der Kandidatin. Sie sei inhaltlich am breitesten aufgestellt und eine Persönlichkeit, die zu einen vermöge. Spahn und Merz würden dagegen polarisieren. Kramp-Karrenbauer, die als Stadträtin und später als saarländische Ministerpräsidentin gelernt habe, Wahlen auch dann zu gewinnen, wenn das Umfeld schwierig sei, sei eher zuzutrauen, die CDU zu einen und wieder zu Wahlerfolgen zu führen.
Die Mittelstandsvereinigung der CDU steht dagegen auf der Seite von Friedrich Merz, ebenso die Schüler-Union und einige Landesverbände, darunter Sachsen-Anhalt. Vor allem Baden-Württemberg steht geschlossen hinter Merz – der Landesverband, der ihn groß gemacht hat. Auch in einigen Kreisverbänden vornehmlich im Osten und Norden Deutschlands gibt es Präferenzen zugunsten von Merz, an die die Delegierten sich halten wollen. Die Wahl des Wirtschaftsjuristen Merz wäre ein starkes Zeichen vor allem an die Leistungsträger der Gesellschaft. In einer Zeit großer politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit, in der der amerikanische Präsident willkürlich Handelskriege vom Zaun bricht und jahrzehntealte Ordnungen zerstört, in der Strafzölle die deutsche Wirtschaft bedrohen, in der große gesellschaftliche Umbrüche wie der Übergang in das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz politisch gesteuert werden müssen, ist der ausgemachte Wirtschaftsfachmann jemand, dem man zutrauen kann, Deutschland durch diese Umbruchszeit zu manövrieren und strategisch für die Zukunft zu positionieren.
Grundsätzlich jedoch sind die Delegierten in ihrer Entscheidung für einen der Kandidaten frei. Die Wahl findet zudem geheim statt. Gegen 14:00 Uhr am Freitagnachmittag werden alle bis dahin nominierten Kandidaten noch einmal eine ca. 15-minütige Rede halten und vor den 1.001 Delegierten der Landesverbände begründen, warum sie die CDU in Zukunft führen sollten. Danach findet die Wahl statt. Bekommt keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang eine qualifizierte Mehrheit, also mehr als 50% der Stimmen, gibt es eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern.
Einig sind sich Beobachter darin, dass Jens Spahn, der Vertreter der jüngeren Generation, eher keine Chancen auf den Parteivorsitz hat. Ob letztlich aber der Neoliberale Merz oder die Generalsekretärin das Rennen machen, ist derzeit ganz offen.