Privathaushalte in Deutschland bekommen neue Stromzähler – die alten, mechanischen, werden sukzessive gegen digitale Zähler ausgetauscht. 2032 müssen alle Haushalte mit digitalen Zählern ausgestattet sein. Stromanbieter nehmen den Austausch i.d.R. zum turnusmäßigen Wechsel der Zähler vor; so belastet er die Kunden nicht zusätzlich mit Kosten. Weitere Folgen hat der Austausch für die Kunden nicht – vorerst. Das wird sich aber ändern.
Hintergrund der Umstellung ist die Energiewende, bzw. deren Flankierung durch intelligente digitale Systeme. Während im Kohle- und Atomzeitalter wenige große Stromproduzenten jederzeit berechenbare Mengen Strom zur Verfügung stellten, ist es in Zeiten dezentraler, kleinräumiger Energieversorgung durch Windkraft- und Solaranlagen, die vielfach von kleinen Anbietern, Bürgerprojekten oder Privathaushalten betrieben werden, viel schwerer, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Ein Weg ist der Aufbau eines intelligenten Netzes (Smart Grid), in dem die Stromnachfrage von gewerblichen und privaten Stromkunden genau protokolliert wird. Verbraucher bekommen eine exakte Aufschlüsselung über ihr Energieprofil, also darüber, wann mit welchen Geräten wie viel Energie verbraucht wird; Anbieter bekommen einen genaueren Überblick darüber, wann von wem wie viel Energie abgerufen wird. Die Folge sollen z.B. nach Verbrauchszeiträumen gestaffelte Energietarife sein, die Kunden belohnen, wenn sie die Waschmaschine nicht in Zeiten von Stromspitzen laufen lassen. Um ein solches Netz aufzubauen, braucht es intelligente Messsysteme (Smart Meter), also Zähler, die den Verbrauch eines Haushalts messen und protokollieren, und den Anschluss des Zählers an das Internet mittels einer Anschlussstelle (Smart Meter Gateway).
Den rechtlichen Rahmen setzt das 2016 währen der Fußball-WM durch den Bundestag gedrückte und trotz massiver Kritik von Wirtschaft und Verbänden vom Bundesrat kaum noch geänderte „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ mit seinem Herzstück, dem „Messstellenbetriebsgesetz“ (MsbG). Dieses steckt den Rahmen dafür ab, wie ab 2017 sukzessive gewerbliche und private Verbraucher mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden sollen. Danach traf die Umrüstungspflicht zunächst größere Stromverbraucher über 10.000 kWh pro Jahr, sowie die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen über 7 kW. Ab 2020 müssen auch Letztverbraucher, die mehr als 6.000 kWh Strom pro Jahr verbrauchen, ein intelligentes Messsystem haben; wenn der Netzbetreiber dafür optiert, auch kleinere Stromverbraucher. EE- bzw. KWK-Anlagen-Betreiber ab 1 kW können ab 2018 ebenfalls zur Umrüstung verpflichtet werden. Der Einbau der intelligenten Systeme erfolgt durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber. Das ist in der Regel der Netzbetreiber. Für den Betrieb der Messstellen definiert das MsbG gestaffelte Preisobergrenzen. Wehren können sich die betroffenen Verbraucher nicht – der Einbau ist verpflichtend und muss geduldet werden.
Trotz der genannten Zeiträume gibt es die intelligenten Messsysteme bisher jedoch nicht. Das liegt schlicht daran, dass es Systeme, die den strikten Anforderungen an technische und datenschutzrechtliche Standards genügen, auf dem Markt noch nicht gibt. Zudem gibt es eine Fülle praktischer und theoretischer Schwierigkeiten, etwa die Abstimmung der Pflichten nach dem MsbG mit den Anforderungen des Neue-Energien-Gesetzes z.B. zur technischen Ausstattung des Einspeisungsmanagements. Am Prozess der Umsetzung des MsbG sind eine ganze Reihe von Einzelakteuren beteiligt. Beispielsweise ist das Bundeswirtschaftsministerium für das MsbG verantwortlich, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt für Fragen rund um die Eichung der Zähler, die Bundesnetzagentur für Marktprozesse, und – immens mächtig – das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) für die Standards für Technik und Datensicherheit der Messsysteme, ohne deren Einhaltung die Geräte nicht zertifiziert, also zugelassen werden. Aktuell scheitert die Markteinführung von intelligenten Messsystem vor allem an den enorm hohen Anforderungen des BSI. Daher wird auch nicht vor Mitte 2019 mit der Verfügbarkeit erster zertifizierter Messsysteme gerechnet. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang: da die Zertifizierungsbedingungen immer wieder verschärft worden sind, steigen die Preise für die Systeme immer mehr – ohne dass die Preisobergrenzen, die die Betreiber von den Kunden verlangen dürfen, angepasst worden wären.
Bis es entsprechende Systeme im Markt gibt, treiben die Stromanbieter zumindest die Digitalisierung der Zähler voran, auch wenn diese noch nicht über Schnittstellen zum Internet verfügen. Das grundsätzliche Unbehagen darüber, dass diese technische Aufrüstung den Bürger bei allen Vorteilen ein riesiges Stück Privatsphäre kostet, ändern die Verzögerungen nicht.