Die Bundesregierung fördert Zukunftstechnologien mit Milliardenbeträgen, allen voran die Künstliche Intelligenz (KI). Gestern hat sie dazu ein Strategiepapier vorgestellt. Worum geht es, und wie sinnvoll sind die Investitionen?
Unter KI versteht man Algorithmen, die es Maschinen ermöglichen, Intelligenzleistungen zu erbringen, die denen des Menschen ähneln, v.a. die Fähigkeiten des Lernens, Urteilens und Problemlösens. Dieser Technologie wird eine Schlüsselfunktion in der digitalen Welt zugesprochen, denn je mehr Prozesse des täglichen Lebens auf digital umgestellt werden, desto größere Datenmengen fallen an und desto größer wird die Notwendigkeit, diese Daten zu systematisieren und auszuwerten. Hierbei sollen selbst lernende Maschinen helfen. Weltweit gesehen hinken Deutschland und Europa der Entwicklung hinterher – die USA und China sind heute vor allem im B2C-Bereich, also bei Anwendungen, die den Verbraucher involvieren, führend. Im B2B-Bereich jedoch, also bei industriellen Anwendungen, ist die Marktführerschaft noch offen. Und einen weiteren großen Vorteil hat Europa: Während die USA den Unternehmen fast völlig freie Hand lassen und Neuentwicklungen nur den Regeln des Marktes unterwerfen – das geht so weit, dass Microsoft mittlerweile die US-Regierung aufgefordert hat, seine Produkte zur Gesichtserkennung im Interesse der Bürger zu regulieren –, setzt China auf vollständige Überwachung mit Hilfe der Technologie. Der europäische Weg könnte dazwischen liegen: Keine staatliche Regulierung aller Lebensumstände, wohl aber die Schaffung von Rahmenbedingungen, die die gesellschaftliche Perspektive mitdenken, also die Frage, wie die neuen technischen Möglichkeiten sozial verträglich für die Entwicklung und das Wohl der Menschen und Zivilgesellschaften eingesetzt werden können.
Im August diesen Jahres, als in Brüssel der Finanzrahmen für die Europäische Forschungsförderung von 2021-2027 verhandelt wurde, zeigte sich allerdings wieder, dass gerade die führenden europäischen Wirtschaftsnationen nicht verstanden zu haben scheinen, welche Dimensionen diese Aufgabe hat. Während man sich ziemlich einig war, bei der Grundlagenforschung z.B. im Bereich Alzheimer zusammen zu arbeiten, weil dies ein Bereich ist, der zwar für die Menschen ungeheuer wichtig ist, für die Pharmafirmen aber finanziell uninteressant, setzen die einzelnen Staaten bei der Förderung der potentiellen Zukunftstechnologien lieber auf nationale Forschungsförderung – in der Hoffnung, sich dadurch gleich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen zu können, wenn aus der Forschung marktfähige Produkte werden. Dass dieser Nationalismus angesichts von Konkurrenten wie den übermächtigen US-amerikanischen Internetgiganten und der gewaltigen Finanzkraft und Aggressivität der chinesischen staatlichen Industriepolitik bestenfalls naiv ist, scheint nicht anzukommen.
Zu diesen nationalen Alleingängen in Sachen Zukunftstechnologie gehört nun auch das Strategiepapier KI, das die Regierung gestern vorlegte. Danach sollen bis 2025 drei Milliarden Euro in die Erforschung dieser Technologie gesteckt werden. Mit dem Geld sollen die vorhandenen Forschungsstandorte in Deutschland zu einem Netzwerk zusammengefasst und ausgebaut werden. Mindestens 100 neue Professuren sollen entstehen und Gehälter und Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen sich Experten langfristig im Land halten lassen. Dazu kommt, was die Regierung bereits im Sommer angekündigt hatte: den forschenden Unternehmen und Institutionen sollen riesige Datenbestände der Öffentlichen Hand – anonymisiert – zur Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden. Auch Lizenzmodelle werden diskutiert; der Bund würde so zukünftig an den Produkten mitverdienen, die mit seiner Hilfe entstehen.
Ob das Geld gut angelegt ist? Das Beispiel Solarenergie spricht dagegen. Diese Technologie wurde massiv mit Forschungsgeldern gefördert, bis die Preise verfielen, und man bemerkte, dass Solar-Technologie nicht das durchschlagende Potential hat, das man sich erhofft hatte. Zudem wird befürchtet, dass große Teile der KI-Förderung eher in Bürokratie und ineffizienten Hochschulstrukturen versickern werden, statt zu neuen, marktfähigen Produkten zu führen. Gefordert wird eher, in den Bildungsstandort Deutschland zu investieren und die bürokratischen Hürden bei der Unternehmensgründung abzubauen. Gefordert wird außerdem die explizite Zusammenarbeit aller europäischen Forschungspotentiale statt nationaler Abschottung. Daneben sollte die Regierung im Dialog mit den Bürgern Chancen und Risiken der neuen Technologie kommunizieren, statt Populisten der Befürworter und Gegner das Feld zu überlassen. Danach sieht es bei dem jetzt vorgelegten Strategiepapier allerdings nicht aus – eher hat man den Eindruck, die Regierung wisse auch nicht recht, wie sie mit dem Thema umgehen solle und gründe deshalb eine Arbeitsgruppe.