Über 64.000 Attacken auf Polizeibeamte wurden 2015 registriert, eine Steigerung von 9 Prozent gegenüber zwei Jahren zuvor. Die Polizeigewerkschaft vermerkte eine Steigerung von Gewalt gegen Polizeibeamte in den vergangenen zehn Jahren um 33 Prozent.
Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte daher einen Gesetzentwurf eingebracht, der härtere Strafen bei Angriffen auf Polizeibeamte, Retter und Feuerwehrbeamte vorsieht. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf verabschiedet, nach dem tätliche Übergriffe künftig schon dann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden sollen, wenn sie sich gegen Polizeibeamte richten, die mit einfachen „Diensthandlungen“ wie Streifenfahrten und Unfallaufnahmen beschäftigt sind. Bisher galt dies nur bei „Vollstreckungshandlungen“ durch Polizeibeamte wie Festnahmen.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft befürwortet die strengere Bestrafung und mahnt generell mehr Respekt für Staatsdiener an. Es werde aber auch mehr Personal gebraucht, um schon durch eine größere Stärke vor Ort deeskalierend wirken zu können. Auch der Deutsche Anwaltverein fordert mehr Personal, „damit man auch einmal zu dritt in gefährliche Situationen gehen kann“. Allerdings werde fehlender Respekt nicht durch einen Sondertatbestand kompensiert. Dem stimmte auch Linke-Fraktionsvize Frank Tempel zu, nannte die Maßnahme " Symbolpolitik" und mahnte die konsequente Anwendung bestehender Gesetze an. Mit Strafgesetzen lasse sich die zunehmende Verrohung der Gesellschaft nicht lösen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wünscht sich gar die Ausdehnung der Regelungen auf Beschäftigte in Bussen und Bahnen.
So fordern Kritiker flächendeckende Deeskalationskurse an allen Rettungsdienstschulen. Zwar gibt es seit 2014 bundesweit verpflichtende Ausbildungsinhalte zur Deeskalation, jedoch nur in der Ausbildung zum Notfallsanitäter. In der dreimonatigen Ausbildung zum Rettungssanitäter gibt es hingegen keinen einheitlichen Standard.
In den meisten Fällen handelt es sich bei den Angreifern um psychisch Auffällige oder psychisch Kranke, Personen unter erheblichem Alkohol- oder Drogeneinfluss. "Die sind rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich und haben eine niedrigere Hemmschwelle", erklärt die Polizeisprecherin der Dachauer Polizeiinspektion. Auch sei die Sensationsgier der Menschen gestiegen, so der Kreisbrandmeister der Dachauer Feuerwehr. Die Rettungskräfte werden immer öfter durch Gaffer, die Unfälle mit Handy-Kameras festhalten, behindert. Diese Form der Rücksichtslosigkeit und des mangelnden Respekts sei alarmierend.
Ähnlich sieht es bei Schulen, Gerichten und Behörden aus. "Der Respekt vor staatlichen Autoritäten schwindet", fasst Landrat Löwl von Dachau zusammen. Immer wieder würden Bürger im Rahmen von Sorgerechtsfragen beim Jugendamt lauter werden, bedrohten die Mitarbeiter der Behörde in Briefen oder sozialen Netzwerken. Manchmal müsse aus Sicherheitsgründen ein Kollege mit im Raum sitzen und einige Bürger hätten bereits Hausverbot, dürften erst nach vorheriger Anmeldung in die Behörde. Im Extremfall warten Polizeibeamte im Haus, bis ein "Konflikttermin" beendet sei. Bei Gerichten werden mitunter Sicherheitsmaßnahmen mit Taschenkontrollen und Scans mit Metalldetektoren bereits verschärft.