Ein durch ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt gewordener syrischer Flüchtling hat vor dem Landgericht Würzburg versucht, Facebook zur grundsätzlichen Löschung von verleumderischen Falschmeldungen über ihn zu zwingen. Das im September 2015 in einer Berliner Erstaufnahmeeinrichtung entstandene Selfie wurde später von anonymen Facebook-Nutzern für Fotomontagen genutzt, die dann auf Facebook verbreitetet wurden. So montierten sie das Bild neben ein Fahndungsfoto der Berliner Polizei zum Überfall auf einen Obdachlosen an einer Berliner U-Bahn-Station, unter der Überschrift: „Merkel machte Selfie mit einem der Täter.“ Die Fotomontage wurde über 500 Mal geteilt. In einer anderen Fotomontage wurde der Syrer mit dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt in Verbindung gebracht. Der Kläger fühlte sich als Opfer einer Hetzkampagne und wandte sich an den ehrenamtlichen Verein, der Aufklärung zum Thema Fake News betreibt. Der Verein vermittelte den Kontakt mit dem einem IT-Anwalt, der bereits mehrfach wegen Volksverhetzung gegen Facebook vorgegangen ist. Der Kläger forderte Facebook dazu auf, die verunglimpfenden Bilder überall auf der Plattform zu löschen. Dazu müsse Facebook alle geteilten Bilder ausfindig machen und dauerhaft entfernen.
Facebook wiederum fühlte sich für die Inhalte seiner Nutzer nicht verantwortlich. Das soziale Netzwerk handelt bisher nach dem „Notice and take down“-Prinzip: Wenn ein Nutzer seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht, muss dieser den betreffenden Beitrag einzeln selbst an das Online-Netzwerk melden. Facebook prüft den konkreten Inhalt dann auf Rechtswidrigkeit und löscht ihn gegebenenfalls. Eine eigene aktive Suche nach rechtswidrigen Inhalten hält Facebook für unzumutbar.
Das Landgericht verkündete in seiner Eilentscheidung, Facebook sei „weder Täter noch Teilnehmer der hier unstreitigen Verleumdungen“, jedoch handle es sich dabei um „fremde Inhalte der Nutzer des Portals“. Ein sogenannter Provider sei „nicht zur proaktiven Suche möglicher künftiger zu beanstandender Inhalte verpflichtet“. Dennoch erscheine bei einer schweren Persönlichkeitsverletzung ein erhöhter Suchaufwand gerechtfertigt. Diese Verpflichtung gelte jedoch nur, wenn die Suche „technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar ist“. Möglicherweise muss die zwischen den Parteien strittige Frage, ob die Suche in dem Fall zumutbar ist in einem möglichen Hauptsacheverfahren durch ein Gutachten geklärt werden.
Der Rechtsanwalt des Syrers war „enttäuscht“ von dem Urteil, obwohl sich das Gericht in den Grenzen bewegt habe, die das Gesetz vorsehe. Daher forderte der Anwalt andere Gesetze. Vertreten werde er den Kläger in einem möglichen Hauptsacheverfahren jedoch nicht, da er persönlichen Angriffen ausgesetzt war.