Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland keine größere Pleitewelle. Baugewerbe und Handel sind insbesondere betroffen. Experten warnen vor steigenden Risiken. Die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland haben im vergangenen Jahr erstmals seit der weltweiten Finanzkrise wieder zugenommen. Trotz der Herausforderungen durch die Energiekrise und steigende Zinskosten blieb die befürchtete Insolvenzwelle aus. Laut Statistischem Bundesamt wurden den Amtsgerichten Fast 14.600 Fälle von Unternehmensinsolvenzen gemeldet, 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings wurde mit gerade einmal 14.000 Fällen im Jahr 2021 der niedrigste Wert seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 registriert.
Am stärksten betroffen sind das Baugewerbe und der Handel
Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus den gemeldeten Firmeninsolvenzen wurden von den Landgerichten auf fast 15 Milliarden Euro geschätzt. Im Vergleich dazu lagen die Schäden im Jahr 2021 bei etwa 48 Milliarden Euro. „Dieser Rückgang der Forderungen bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist darauf zurückzuführen, dass 2021 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz angemeldet haben als 2022“, so die Statistiker. Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es im Baugewerbe mit fast 2.700 Fällen, gefolgt vom Handel mit 2.240 Verfahren. Es gab zudem weniger Verbraucherinsolvenzen.
Zahlungspraktiken bleiben nicht gleich
Experten erwarten mehr Firmeninsolvenzen in Deutschland aufgrund höherer Produktionskosten, steigender Personalkosten und steigender Zinsen. Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet für dieses Jahr einen Anstieg der Insolvenzen um 15 Prozent, gefolgt von einem weiteren Anstieg um 6 Prozent im Jahr 2024. „Das ist zwar der stärkste Anstieg seit der europäischen Schuldenkrise, aber von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend“, wird gesagt. Das Insolvenzverfahren wird derzeit nur schrittweise normalisiert. Laut einer Studie des Versicherers haben Unternehmen im vergangenen Jahr länger auf die Begleichung ihrer Rechnungen gewartet. In Deutschland wurden Rechnungen 2022 erst nach 49 Tagen bezahlt, vier Tage später als im Vorjahr. Dies zeigt, dass die Insolvenzrisiken zunehmen.
Tarifabschlüsse und hohe Energiepreise belasten
Das bewertet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Die IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort ansässigen Insolvenzforschung sagte, man erwarte für die nächsten Monate höhere Insolvenzzahlen. Hohe Tarifabschlüsse und gestiegene Refinanzierungskosten belasten die Bilanzen der Unternehmen.