Bereits im Jahreswirtschaftsbericht im Januar hatte Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) die Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft für 2019 von 1,8% auf 1,0% gesenkt. Nun halbierte er die Erwartung noch einmal auf nur noch 0,5% für 2019 – 2020 sollen es aber wieder 1,5% sein. Kurz vor den Steuerschätzungen im Mai scheint eine Menge politisches Kalkül die Berechnung zu beeinflussen.
Als Bundeswirtschaftsminister Altmaier im Januar die Wachstumserwartung für Deutschland gegenüber dem Herbstgutachten 2018 der Bundesregierung herab schraubte, begründete er das hauptsächlich mit der schwächer laufenden Weltwirtschaft und der Hängepartie um den Brexit. Grundsätzlich bezeichnete Altmaier den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland aber als intakt. Motor seien der Privatkonsum, der Bauboom und Investitionen vieler Unternehmen.
Auch bei der aktuellen Prognose spielt die nach wie vor
ungelöste Frage, ob, wann und wie die Briten die EU verlassen werden, eine
Rolle. Hinzu kämen die nach wie vor ungelösten Handelsstreitigkeiten zwischen
den USA und China und den USA und der EU, die sich negativ auf die deutschen
Exporte auswirkten. Nach wie vor sei aber der Arbeitsmarkt stabil und die
Lohnentwicklung positiv – Privatkonsum und Bauboom stabilisieren die Wirtschaft
damit weiterhin. Zudem gaben zuletzt wichtige Stimmungsbarometer Anlass zu der
Hoffnung, dass die deutsche Wirtschaft sich bereits in der 2. Jahreshälfte 2019
wieder fangen könnte.
Der Wirtschaftsminister spricht daher auch von einer „Schwächephase“, die
„perspektivisch überwunden“ werden könne; bereits 2020 erwartet er wieder ein
Wachstum von 1,5%. Das beruht allerdings auch auf der Tatsache, dass 2020 vier
Feiertage auf Wochenenden fallen, es also schlicht mehr Arbeitstage gibt.
Angesichts der gesenkten Prognose sprach Altmaier von einem „Weckruf“ für die Politik, um der schwächelnden Wirtschaft zu helfen. Er fordert strukturelle Entlastungen bei Steuern, Abgaben und Bürokratie. Mit seiner Prognose ist der Bundeswirtschaftsminister jedoch noch um einiges pessimistischer als andere führende Wirtschaftsinstitute und der Sachverständigenrat – beide gehen von 0,8% Wachstum für 2019 aus. Der Grund dafür ist vermutlich nicht nur in konjunkturellen und ökonomischen Faktoren zu suchen.
Das Frühjahrsgutachten der Bundesregierung ist Grundlage für die Steuerschätzung im Mai. Die Steuerschätzung wiederum ist Grundlage für die Haushaltsplanung von Bundesfinanzminister Scholz (SPD). Durch die drastisch gesenkten Konjunkturprognosen ist bereits jetzt abzusehen, dass der Bundesfinanzminister etwa zwei bis drei Milliarden Euro weniger zur Verfügung haben wird, als noch im Januar angenommen; im Vergleich zum Herbstgutachten 2018 wären es sogar bis zu fünf Milliarden Euro weniger. Hinzu kommen die gesenkten Erwartungen an die Steuereinnahmen der Länder und Kommunen. Im Juli will die Bundesregierung den Haushalt für das nächste Jahr verabschieden; im Herbst legt sie ihn dann dem Bundestag vor.
Bundesfinanzminister Scholz, der bereits zum Jahreswechsel das Ende der fetten Konjunkturjahre für Deutschland verkündet und mehr Ausgabendisziplin bei seinen Kabinettskollegen angemahnt hatte, dürfte die gesenkten Wachstumsprognosen daher auch in den Haushaltsplanungen zum Argument machen, um Begehrlichkeiten der Minister abzuwehren. Seine Entschlossenheit, an der Schwarzen Null, also einem ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden, festzuhalten, hat Scholz jedenfalls immer wieder bekräftigt.
Vorbei dürften daher die Zeiten sein, als die Minister Ausgabenwünsche einfach nur anmelden mussten, auch wenn der Sinn einiger der durchgewinkten Projekte zumindest fragwürdig war, wie der Bundesrechnungshof ein ums andere Mal anprangerte. Stattdessen werde sich die Minister auf die wesentlichen, für die Zukunft des Landes relevanten Projekte konzentrieren müssen. Bei allem Pessimismus über die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hätten die gesenkten Prognosen damit vielleicht sogar eine entschieden positive Wirkung.