Das an der Universität Zürich entwickelte Computerprogramm "Radar" bewertet das Risikopotential von Gewalttätern in schweizer Gefängnissen auf die Wahrscheinlichkeit von erneuten Straftaten nach deren Entlassung.
Mit Blick auf Islamisten hat das Bundeskriminalamt (BKA) das Programm fortentwickelt und bereits begonnen, einige wenige Mitarbeiter der Landeskriminalämter darin zu schulen. Die Software soll jetzt Zug um Zug in Deutschland, beginnend bei den Bundesländern mit der höchsten Anzahl an islamistischen Gefährdern, eingeführt werden. Somit beginnt die Einführung in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfahlen, anschließend folgen Berlin, Brandenburg, Bayern, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die übrigen Länder starten im 2. Quartal mit der Nutzung von "Radar" und ab Juli 2017 sollen schließlich alle Bundesländer mit der Software arbeiten können.
In der Schweiz wird bereits seit ein paar Jahren ein ähnliches System namens "Dyrias" (Dynamisches Risikoanalyse-System) benutzt, das Schulen helfen soll, potenzielle Amokläufer zu erkennen. Es fragt unter anderem ab, ob sich ein Schüler mit der Geschichte früherer Amoktäter beschäftigt, ob er Waffen besitzt oder über Suizid spricht. Die Antworten werden mit dem Verhalten bekannter Amoktäter abgeglichen und eine Risikoeinschätzung erstellt. Bei dem vom BKA benutzten Programm "Radar" ist die Funktionsweise ähnlich. Hier wird beispielsweise erfragt, welche Einstellung die zu überprüfende Person zu Gewalt hat, ob sie militärische Erfahrung und Zugang zu Waffen hat und ob sie einen geringen sozialen Status hat oder isoliert ist. Verglichen werden die Angaben mit den Erkenntnissen über die Vorgehensweise von 30 Attentätern sowie 30 Gefährdern und "relevanten Personen". Entsprechende Daten liegen den Behörden bereits vor: über jeden der aktuell 548 Gefährder und jede "relevante Person" wurden Persönlichkeitsprofile mit wichtigen Details erstellt.
Je nach Einschätzung des Programms, wird der Gefährder gelb, orangefarben oder rot markiert. Zwar läuft "Radar" bisher nur im Probebetrieb, allerdings sind die ersten Ergebnisse bemerkenswert: So wurden die vor dem Berliner Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt schon bekannten Informationen über den Attentäter Anis Amri in das System eingepflegt, welches dann Amri rot markierte. Die Staatschützer waren vor dem Anschlag dagegen trotz mehrfacher Prüfung mit den bisher üblichen Methoden zu dem Ergebnis eines "eher unwahrscheinlichen" Anschlages gelangt.
Das Bundesinnenministerium betont, dass das Programm keine Massenüberwachung leisten soll und auch gar nicht kann. Die Software sei ein "rein polizeiliches Instrument", in das die Verfassungsschutzämter lediglich Erkenntnisse über Reisen von Islamisten nach Syrien oder in den Irak einpflegen soll. "Radar" löse das bisherige System nicht ab, sondern ergänze es nur.