Der EU-Ministerrat hat heute endlich eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts beschlossen.
Was beinhaltet das und welche Schuldenregeln gelten künftig in Europa?
In der Europäischen Union (EU) gelten künftig neue Regelungen zu den Staatsschulden und Haushaltsdefiziten der Mitgliedstaaten.
Der luxemburgische Ministerrat hat heute dem Reformplan für den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt endgültig zugestimmt, nachdem er letzte Woche vom EU-Parlament genehmigt worden war, bestätigte ein EU-Diplomat gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Was ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt?
Der im Amsterdamer Vertrag von 1997 enthaltene Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht in erster Linie Schuldenobergrenzen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor.
Dieses Regelwerk soll die Haushaltsdisziplin jedes Staates sicherstellen und die finanzielle Gesundheit gewährleisten.
Diese gelten als wichtige Voraussetzungen für die Stabilität der EU und des Euroraums.
Dieses Abkommen sieht Sanktionen gegen Mitgliedstaaten vor, deren Haushaltsdefizitquote 3 % übersteigt.
Die Defizitquote bestimmt das Defizit eines Staates als Prozentsatz seines nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Bei Überschreitung der Grenze kann ein Schuldstrafverfahren, ein sogenanntes Defizitverfahren, eingeleitet werden.
In diesem Fall muss das Land Maßnahmen ergreifen, um das Defizit zu reduzieren und seinen Haushalt zu überarbeiten.
Darüber hinaus enthält die Vereinbarung eine Schuldenquote, nach der der Schuldenstand 60 Prozent des BIP nicht überschreiten soll.
Zuletzt wurden Strafverfahren aufgrund der Coronavirus-Krise und des russischen Angriffs auf die Ukraine komplett eingestellt.
Insbesondere im Jahr 2020 wiesen fast alle EU-Mitgliedstaaten Haushaltsdefizite deutlich über der 3-Prozent-Marke auf.
Warum wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt überarbeitet?
Das aktuelle Regelwerk zur Überwachung und Durchsetzung dieser Anforderungen wurde von Kritikern lange Zeit als zu komplex und zu streng angesehen.
Die Vereinbarung zur Reform von Regeln aus den 1990er Jahren basierte auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission.
Diese wurden jedoch vor allem von der Bundesregierung als Überreichweite kritisiert.
Infolgedessen einigten sich die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nach monatelangen Verhandlungen auf eine Reihe von Änderungen.
Was sieht diese Reform vor?
Grundsätzlich verlangen die neuen Regelungen der EU, dass die Verschuldung der Mitgliedstaaten 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf.
Auch das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit, also die überwiegend durch Kredite finanzierte Differenz zwischen öffentlichen Haushaltseinnahmen und -ausgaben, soll unter 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben.
Zukünftig wird der Plan unter anderem die individuellen Gegebenheiten jedes Landes stärker berücksichtigen.
Die für die Aufsicht zuständige Europäische Kommission soll die Erhöhung der Zinszahlungen bei der Berechnung der Anpassungsbemühungen während der Übergangszeit berücksichtigen können.
Der Zeitraum für den Schuldenabbau sollte auch dann verlängert werden, wenn Mitgliedstaaten glaubwürdige Reform- und Investitionspläne vorlegen, die die Widerstandsfähigkeit und das Wachstumspotenzial verbessern.
Darüber hinaus sind Schutzmaßnahmen vorgesehen, bei denen hochverschuldete Länder (Schuldenstand über 90 Prozent) ihre Schuldenquote jährlich um 1 Prozentpunkt senken müssen und Länder mit einem Schuldenstand zwischen 60 und 90 Prozent ihre Schuldenquote um 0,5 Prozentpunkte senken müssen.
Wie ist die Reaktion?
Kritiker betonten schon vor den Reformen immer, dass die Schuldenregeln notwendige Investitionen in Dinge wie Klimaschutz und Sozialsektor abschneiden.
Eine Analyse des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) kam im April zu dem Schluss, dass nur Dänemark, Schweden und Irland die notwendigen Kosten tragen könnten, wenn die geplanten Regeln eingehalten würden.
Ab 2027.
Auch Investitionen in Deutschland sollen stark eingeschränkt werden.
Daher steht auch die Grüne Partei des Europäischen Parlaments dieser Reform äußerst kritisch gegenüber.
Es entspreche nicht den Bedürfnissen der Zeit, sagte Henrique Hahn.
Doch Bundesfinanzminister Christian Lindner ist zufrieden.
Deutschlands zentrales Anliegen der „Finanzstabilität“ spiegele sich im Gesetzestext wider, sagte kürzlich ein FDP-Politiker.
Wir haben jetzt klare Regeln für den Schuldenabbau, die praktisch umgesetzt werden können.
Auch die christdemokratische EVP-Fraktion des Europäischen Parlaments sprach sich für die Reform aus.
Der wirtschaftspolitische Sprecher und CSU-Abgeordnete Markus Faber sagte, die neuen Regeln bringen mehr Klarheit und stellen die Wirtschafts- und Währungsunion auf eine solidere Grundlage.
Wie geht es weiter?
Nach der Verabschiedung durch die EU-Mitgliedstaaten müssen neue Vorschriften noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie in Kraft treten.
Dies wird voraussichtlich Anfang Mai der Fall sein.
Der Red-Line-Prozess soll im Frühjahr dieses Jahres wieder aufgenommen werden können, die neuen Regeln werden aber voraussichtlich bis dahin bereits in Kraft sein.
Laut den neuesten Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat haben mehrere Länder im vergangenen Jahr die Obergrenze überschritten.