Deutschland befindet sich in einer Wohnungsnot: bezahlbarer Wohnraum ist knapp und teuer. Um diesem Missstand Herr zu werden, müssten nach Schätzung des Bundesbauministeriums bis 2020 jedes Jahr 350.000 neue Wohnungen gebaut werden.
Gebaut wurden im vergangenen Jahr tatsächlich jedoch nur 270.000 Wohnungen und durch die seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent gestiegenen Baukosten aufgrund strengerer Auflagen, waren auch nicht gerade billig. In der Nachkriegszeit gab es schon einmal eine ähnliche Wohnungsnot. Die damalige Lösung waren Plattenbauten. Sie konnten in großer Stückzahl, kurzer Zeit und guter Qualität gebaut werden. In den 70ern und 80er waren viele Ost-Berliner froh, in Plattenbauten einziehen zu dürfen, denn dort gab es im Gegensatz zum Altbau Fernwärmeheizung und Bad statt Ofenheizung und Toilette auf halber Treppe. Heute treten serielle Bauweisen an deren Stelle. Es müssten "künftig stärker Prototypen geplant und deutschlandweit in Serie umgesetzt werden" anstatt "teure Unikate zu planen", meint der Hauptverband der deutschen Bauindustrie. Einmal entworfen, genehmigt und gebaut, könnte derselbe günstige Gebäudetyp vom Fließband bundesweit aufgestellt werden. Auch Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht in der industrielle Bauweise eine schnelle Beschaffungsmöglichkeit von bezahlbarem Wohnraum. Dazu hat sie sogar eine Arbeitsgruppe gegründet und ein 120-Millionen-Euro-Programm geplant, in dem Architekten und Bauexperten im Wettbewerb neue "Platten"-Typen mit modernen, schicken Fassaden entwickeln sollen. Im seriellen Wohnungsbau werden einzelne Module aus standardisierten Holzelementen auf einem Fließband gefertigt. Auf der Baustelle werden die vorgefertigten Räume nur noch zusammengesetzt. Durch die Fertigung möglichst vieler Bauteile in der Fabrik und der Einsatz von Maschinen bei lohnintensiven Arbeiten, sinken die Produktionskosten. Durch die Unabhängigkeit von Wetter und Klima in der Fabrik wird die Bauzeit deutlich verkürzt und die Qualität verbessert, da in der Fabrik präziser gearbeitet werden kann. Doch vor allem in Westdeutschland hat der serielle Wohnungsbau keinen guten Ruf. Plattenbauten gelten als monoton, hässlich und gleichgeschaltet. Jeder Mensch wird in denselben Grundriss gequetscht, unabhängig von seinen persönlichen Bedürfnissen. Zudem herrschen in den bestehenden Großsiedlungen der Stadtrände soziale Schwierigkeiten. Während die Gebäude verwahrlosten, versammelten sich Trinker auf den Grünflächen, die eigentlich für spielende Kinder gedacht waren. Dabei hat man in Schweden, dem Land mit den höchsten Baukosten in der EU, gute Erfahrungen mit dem seriellen Wohnungsbau im 21. Jahrhundert gemacht. Mithilfe der serieller Fertigung können die Schweden um ein Viertel günstiger bauen. Sie haben einfach drei unterschiedliche Haustypen entwickelt, die in Variationen überall im Land aufgestellt werden, damit 11.000 neue Wohnungen entstehen können. Vonovia, ehemals Deutsche Annington, das mit Abstand größte Wohnungsunternehmen in Deutschland mit rund 360.000 Wohnungen im Bestand, will an dem Image arbeiten und hat ein großes Investitionsprogramm aufgelegt, um die serielle Fertigung im Wohnungsbau voranzubringen. Die Baukosten und damit auch die Mieten sollen so deutlich gesenkt werden können. Im Vergleich zu einem normalen Neubau kostet das erste seriell gefertigte Wohnhaus in Bochum ohne Grundstück nur 1.800 Euro je Quadratmeter anstatt 2.500 Euro. Der Rohbau habe bereits nach fünf Tagen gestanden. Damit seien Mieten von deutlich unter 10 Euro je Quadratmeter möglich. Dies wäre mit herkömmlicher Bauweise nicht machbar gewesen, erklärt Vonovia. Noch günstiger und auch ökologischer sollen die Wohnmodule des Stuttgarter Architekten Werner Sobek sein. Die Bauteile bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen, können durch ihr Stecksystem wiederverwendet werden und kosten sogar nur 1.380 Euro pro Quadratmeter als Aktivhaus. Bestehende Quartiere könnten Baulücken in bestehenden Siedlungen verdichten - zum Beispiel durch Dachaufstockungen. Doch die serielle Fertigung lohne sich für die Bauindustrie nur bei sehr großen Stückzahlen und die Bauordnungen sind Ländersache. Vonovia fordert daher, dass "künftig nicht mehr jedes Haus einzeln, sondern Gebäudetypen genehmigt werden können".