Mit dem von der EU finanzierten Forschungsprojekt namens „Grace“ fließen 15 Millionen Euro in die Erforschung eines alternativen Rohstoffs mit dem umweltfreundliche Produkte hergestellt werden können. Damit könnte man sich von dem Rohöl der Scheichs unabhängiger machen. Hierzu wird mit Nutzpflanzen wie Hanf und vor allem Miscanthus geforscht.
Die Wunderpflanze Miscanthus aus China ist ein optisch eher unspektakuläres Schilfgras. Es stirbt über den Winter langsam ab, treibt aber im Frühjahr neu aus. Im Rahmen seiner Promotion beschäftigt sich Andreas Kiesel an der Universität Hohenheim mit dem Schilfgras. Schon seit 30 Jahren existiert eine Plantage des Schilfgrases vor den Toren von Stuttgart. Gemeinsam mit dem Agrarwissenschaftler bündeln 22 Partner aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Industrie ihre Aktivitäten zu den Nutzpflanzen Miscanthus und Hanf und treiben so das Projekt voran. Mit dem anspruchslosen Schilfgras lassen sich viele Produkte herstellen, wie beispielsweise Bioethanol, wie man es aus vielen Pflanzen herstellen kann. Doch auch Chemikalien, die als Ausgangsstoff für Kunststoffprodukte dienen, wie Damenstrümpfe oder Sprudelflaschen oder Wirkstoffe, die als Herbizid eingesetzt werden können, beispielsweise eine Alternative zum viel kritisierten Glyphosat. Dazu sind auch leichte, dämmende Baumaterialien oder Verbundwerkstoffe, aus denen man Autoteile herstellen kann mögliche Produkte der Wunderpflanze. Vorteil der naturfaserverstärkten Kunststoffe ist auch ein besseres Crashverhalten, weil sie nicht so scharfkantig brechen.
Fraglich ist jedoch, weshalb das robuste Schilfgras bei den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten nicht längst massenhaft verbreitet ist. Der Forscher erklärt, die Landwirte seien bisher nicht sehr motiviert, Miscanthus anzubauen, weil sie nicht wissen, wie sie damit Geld verdienen können. Dagegen erhält die Industrie nicht genug Rohstoff, dass es sich lohnen würde, Produkte daraus zu entwickeln. Derzeit seien von 12 Millionen Hektar Ackerland in Deutschland nur 5000 Hektar mit Miscanthus bepflanzt.
Nicht neu ist die Idee, mehr aus dem Schilfgras zu machen. Schon der Öko-Veteran Franz Alt war hier engagiert, doch damals sei der Pflanzenanbau noch nicht so erforscht gewesen. Mit „Grace“ sollen lückenlose Wertschöpfungsketten aufgezeigt werden. So soll vom Anbau bis zur Entsorgung alles nachhaltig, aber eben auch rentabel sein, damit es sich am Markt durchsetzt. Dies sei jedoch mit Rohöl-Preisen von 50 Dollar pro Barrel schwierig. Daher wird aus Miscanthus-Stroh Zucker gewonnen, woraus wiederum die Chemikalie HMF produziert wird, die Ausgangsstoff für Kunststoffprodukte ist. Mit dem verbliebenen Lignin, das der bis zu drei Meter hoch wachsenden Pflanze als Stützmaterial dient, entsteht Phenol, ein weiterer Zwischenstoff für die Kunststoffgewinnung. Der Rest des Schilfgrases wird in der Biogasanlage der Universität verwertet und der hieraus verbleibende Rest wird danach als Dünger zurück auf die Felder ausgebracht.