Als im März 2016 die Mieter in Berlin zufällig erfuhren, dass ihr Haus an einen Investor verkauft werden soll, fürchteten sie das Schicksal vieler Berliner Mieter teilen zu müssen: Sanierung, Mieterhöhung, Verdrängung. Wenige Monate später konnten sie jedoch mit einem Kaufvertrag über 2,6 Millionen Euro dem Investor ihr Haus wegschnappen, ohne jegliches Startkapital.
Die Bewohner schlossen sich dem „Mietshäuser-Syndikat“ an, einem Netzwerk selbst organisierter Wohnprojekte. Leute, die gemeinschaftlich ein Haus kaufen wollen, können diesem Freiburger Verein beitreten und gründen dann als Käufer eine Haus-GmbH. Das Mietshäuser-Syndikat wird Beteiligungsgesellschaft. Das gut vernetzte Syndikat kann Direktkredite mit geringen oder gar keinen Zinsen vermitteln, die oft von privaten Unterstützern, oder - wie in einem Fall in Berlin - von einer Stiftung kommen.
Wenn genug Kapital zusammengekommen ist, nehmen die Mieter einen Bankkredit auf, kaufen das Haus - und zahlen den Kredit über ihre Miete zurück. An dem Beispiel in Berlin sind das im Schnitt 7 Euro pro Quadratmeter, was deutlich geringer ist, als bei Neuvermietungen im Stadtteil Friedrichshain üblich ist. Schon mehr als 100 Interessenten stehen auf der Warteliste, die einziehen möchten.
Dabei berät das Mietshäuser-Syndikat, das in den 1980er Jahren gegründet wurde, bei allen organisatorischen Fragen. Über Arbeitsgemeinschaften werden die einzelnen Bewirtschaftungen geregelt. So gibt es beispielsweise eine Buchhaltungs-AG, eine Reparaturen-AG oder eine Garten-AG. Entscheidungen werden per Mehrheitsrecht getroffen, auch die Entscheidung, wer im Fall eines Auszugs neu einziehen darf. Interessant ist, dass nicht jeder gleich viel Miete zahlt, sondern jeder so viel, wie er kann. Dennoch haben alle das gleiche Mitspracherecht. Weil die Eigentumsfrage keine Rolle spielte, konnten sich die Bewohner im Endeffekt besser einigen, erklärt ein Bewohner.
Doch nicht nur die linke Szene beschäftigt sich mit alternativen Wohnprojekten. So gibt es deutschlandweit 128 Wohnprojekte, die im Mietshäuser-Syndikat organisiert sind, und zahlreiche Initiativen, die beitreten wollen. Häuser des Syndikats stehen in Tübingen, Leipzig, München und vielen anderen Städten und Dörfern. Schon seit 1992 besteht der Verein in seiner jetzigen Form und bisher ist nur eine Haus-GmbH wegen Insolvenz gescheitert. Die Anfragen würden immer mehr, so ein Bewohner, der Interessierte ehrenamtlich berät.