Deutschland hinkt im Vergleich zu China und den USA in dem gnadenlosen Technologiewettlauf bei vollautonomen Autos hinterher. So sei der Volkswagen-Digitalchef Johann Jungwirth schon vor zwei Jahren erstaunt gewesen über die Zurückhaltung der deutschen Unternehmen. Ähnlich sieht es auch der BMW-Bereichsleiter "Autonomes Fahren" Elmar Frickenstein, der den Vorsprung von Waymo, das die meiste Erfahrung beim autonomen Fahren hat, innerhalb der nächsten drei Jahren einholen will.
Im Gegensatz hierzu glaubt Audi jedoch nicht an eine Revolution auf der Straße. Die deutschen Behörden seien noch nicht so weit wie die Technik. Dort erwarte man vor 2019/2020 keine Straßenzulassung für den Autopiloten. Bis dahin könnten auch die deutschen Marken auf der Autobahn mit 130 km/h selbständig fahren. Weil solche Autobahnpiloten hochautomatisierte Level-3-Systeme sind, die nur auf ausgewählten und kontrollierten Strecken funktionieren, sollte der Fahrer seinem digitalen Chauffeur immer über die Schulter schauen. Schließlich muss er die Verantwortung innerhalb weniger Sekunden wieder übernehmen. Dagegen muss die Maschine auf dem vollautonomen Level 4 und Level 5 (ohne Lenkrad oder Pedale) alles selbständig entscheiden. Der Fahrer kann sich also schlafen legen - was den Entwicklern schlaflose Nächte bereitet.
Bei BMW ist man zuversichtlich, Level 3 bis zum Jahr 2021 zu schaffen, doch Level 4 sei eine der größten Herausforderungen der Autoindustrie. Das zeigt auch der tödliche Unfall in Arizona, bei dem eine Fußgängerin von einem vollautonomen Volvo-Testwagen überfahren worden war. Nicht einmal der Sicherheitsfahrer von Uber konnte den Unfall verhindern.
Dagegen will BMW mit rund 240 Millionen Kilometer fehlerfrei absolvierten Testfahrten auf Nummer sicher gehen. Alle Situationen im Straßenverkehr sollen abgedeckt werden, was heute bei den Wettbewerbern nicht gegeben sei. Das Problem ist nur: Die genannte Strecke entspricht der Entfernung vom Mars zu Sonne. Das ist mit den bald 80 BMW-Testfahrzeugen in den knapp drei verbleibenden Jahren gar nicht zu schaffen. "Deshalb rechnen wir 95 Prozent der Strecke in Simulationen durch", erläutert Frickenstein. "Wer die Simulation beherrscht, wird Level 4 beherrschen", ist sich der Elektronik-Experte sicher.
Dabei ist der Aufwand für die Simulation sehr groß. In den am 11. April eröffneten "Autonomous Driving Campus" investierte BMW einen hohen einstelligen Milliarden-Betrag. Dort sollen alle Automatisierungsstufen gleichzeitig entwickelt werden. Doch ob dieser gigantische Aufwand das Rennen entscheiden wird, ist fraglich.