Am Mittwoch verkündete der VIII. Zivilsenat des BGH, der unter anderem für Mietsachen zuständig ist, sein Urteil in einem Fall, der leicht zu einem Präzedenzfall für tausende Wohnungen hätte werden können (AZ: VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18). Worum ging es?
Geklagt hatten die Mieter zweier Wohnungen nahe Hamburg, die 1968 und 1971 erbaut worden waren. Beide Wohnungen weisen keine Außendämmungen auf. Es besteht daher laut Sachverständigengutachten in den Wintermonaten die Gefahr von Schimmelbildung insbesondere durch Wärmebrücken in den Wohnungen, der die Mieter nur durch mehrfaches tägliches Stoßlüften begegnen könnten und dadurch, dass sie die Wohnungen unwirtschaftlich stark heizten. Die Kläger und auch der Mieterbund hofften auf ein Urteil, dass es Mietern erlauben würde, bereits bevor sich tatsächlich Schimmel gebildet hat eine ordentliche Wanddämmung verlangen zu können. Das Landgericht Lübeck gab ihnen darin recht und erlaubte Mietminderungen, weil keine Außendämmung vorlag. Die Begründung: Mietern sei mehrfaches Lüften den ganzen Tag hindurch nicht zumutbar. Zudem könnten Mieter auch bei Altbauten einen „Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens“ erwarten – dazu gehöre eben heutzutage eine Wärmedämmung. Habe ein Altbau keine Dämmung und bestehe durch Wärmebrücken die Gefahr von Schimmelbildung, liege ein Mangel vor, der zur Mietminderung berechtige.
Der BGH hat dieses Urteil des LG Lübeck weitestgehend kassiert und deutliche Rechtsfehler gerügt. Maßstab dafür, ob bauliche Mängel vorlägen, sei grundsätzlich die Rechtslage bei Errichtung der Gebäude. Zwischen 1947 und 1978, also in der Zeit, als die Wohnungen der Kläger gebaut wurden, gab es aber noch keine rechtliche Verpflichtung zur Dämmung von Häusern. Wärmebrücken in den Häusern waren völlig normal. Ein Mieter könne heute allenfalls den Standard erwarten, der bei Erbauung der Wohnung galt und in vergleichbaren Wohnungen vorliege – das war bei den Klägern der Fall; die Wohnungen entsprachen bei ihrer Errichtung allen geltenden Bau- und DIN-Vorschriften. Fehlende Dämmung und die bloße Gefahr von Schimmel sei bei einem Altbau kein Mangel. Der Vermieter eines Altbaus schulde den Mietern keinen Neubau-Standard. Die BGH-Richter rügten, das Landgericht habe hier einen neuen Mangelbegriff geschaffen, der für Altbauten einen Neubau-Standard fordere – das sei „ersichtlich rechtsfehlerhaft“. Mängel der Wohnung könnten nur dann vorliegen, wenn der tatsächliche Zustand der Wohnung vom vertraglich vereinbarten Zustand abweiche.
Auch verneinte der BGH, dass Mieter verpflichtet seien, ständig zu lüften. Die Vorinstanz hatte das unterstellt und für unzumutbar erklärt. Feuchtigkeit in der Wohnung entstehe vor allem, so der BGH, wenn geduscht würde oder die Waschmaschine laufe. Dann seien die Mieter aber da und könnten auch lüften. Wenn niemand in der Wohnung sei, entstehe umgekehrt auch keine Feuchtigkeit und es müsse nicht gelüftet werden. Kurz: Mietern sei es durchaus zuzumuten, wenn sie anwesend sind für ausreichende Lüftung zu sorgen. Mehr sei normalerweise aber auch nicht nötig. Damit nimmt der BGH Mieter grundsätzlich in die Pflicht, alles zu tun, um Schimmel zu vermeiden. Tritt Schimmel konkret auf, darf der Vermieter dem Mieter jedoch nicht pauschal unterstellen, nicht ordentlich gelüftet zu haben; er muss vielmehr beweisen, dass nicht die Bausubstanz Grund der Schimmelbildung ist. Daran ändert das BGH-Urteil nichts.
Das Gericht gab außerdem zu bedenken, dass ein Urteil wie das der Lübecker Richter letztlich nicht unbedingt im Interesse der Mieter sei – es hätte Vermieter in großem Maßstab gezwungen, Wohnungen dämmen zu lassen; die Modernisierungskosten, die auf die Mieter umgelegt werden dürfen, würden wohl zu erheblich steigenden Mieten geführt haben.