Stehen Schüler zwischen zwei Noten, entscheiden sich Lehrer womöglich öfter als gedacht aus Sympathie oder gar Attraktivität für eine Zeugnisnote. So erklärt Soziologe Ulrich Rosar von der Universität Düsseldorf, den meisten Menschen sei gar nicht bewusst, wie sehr Schönheit sie beeinflusst. Davor seien auch Lehrer nicht gefeit.
Der Soziologe forscht schon seit Jahren an der Wirkung von Attraktivität. Dabei fänden hübsche Kinder schneller Freunde in der Klasse und müssten sich im Unterricht auch weniger anstrengen, um vor den Lehrern zu bestehen. Dies legt eine auch eine amerikanischen Studie aus dem Jahr 2001 nahe, die besagt, dass der Anblick eines attraktiven Gesichts das Belohnungssystem im Gehirn des Betrachters aktivieren würde.
Daher sollte das Bewertungssystem teilweise geändert werden, empfiehlt der Forscher. Klassenarbeiten könnten zumindest stichprobenartig von externen Lehrern überprüft werden oder bestenfalls anonym sein. Auch mittels Nummern statt Namen könnte eine sachliche Bewertung von Klassenarbeiten erfolgen. Die Lehrergewerkschaften Hamburg begrüßen den Vorschlag an sich, geben aber zu bedenken, dass die Nummern durch Externe verteilt werden müssten, damit der Lehrer sie nicht zuordnen könnten. Dies wäre aber wiederum mit mehr Verwaltungsaufwand verbunden. Auch mittels der Handschrift ließe sich auf den Schüler schließen, was möglicherweise mit Klassenarbeiten am Computer behoben werden könnte. Hier scheitere es jedoch wiederum an der fehlenden Ausstattung der Schulen. Zudem könne nicht jeder Schüler gut am Computer schreiben.
Dass Noten nie objektiv seien, egal wie sehr eine Leistung anonymisiert werde, findet der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband dagegen gut. Da Lernen und Lehren auch auf der Beziehungsebene stattfände, wäre eine Beschränkung der Bewertung nur auf schriftliche Klassenarbeiten falsch.
Rosar und seine Kollegen fanden in einer Studie 2012 heraus, dass die hübscheren Schüler tatsächlich bessere Bewertungen bekamen. In dem Projekt bewerteten rund zwei Dutzend Erwachsene das Aussehen von ca. 80 Fünft- und Neuntklässlern eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen und machten anschließend Leistungstests mit den Schülern, analysierten ihre Zeugnisnoten und führten Gespräche mit den Lehrern. Zwar sei eine Studie mit ca. 80 Kindern allein noch nicht besonders aussagekräftig und Attraktivität nur ein Merkmal von vielen, aber es sei klar geworden, dass hier noch Forschungsbedarf bestehe. In einer weiteren Studie soll es um mögliche Vorurteile und härtere Strafen von angehenden Lehrern gegenüber Schülern mit Migrationshintergrund und aus benachteiligten sozialen Schichten gehen.