In München sind die Geburtsstationen der Kliniken wegen Personalmangel schon jetzt ständig überlastet. So kommt es regelmäßig vor, dass Kliniken Hochschwangere wegschicken und an andere Geburtsstationen verweisen. Den Hebammen wird über eine Website in Echtzeit angezeigt, wie die Lage in anderen Kliniken ist. Sind sie rot markiert, kann dort keine Frau mehr aufgenommen werden. Manchmal ist dort fast nur rot zu sehen.
Obwohl die Situation der Geburtshilfe in München schon jetzt angespannt ist, wird sie sich ab 2018 vermutlich deutlich zuspitzen, denn ab dem Zeitpunkt dürfen Beleghebammen nur noch maximal zwei Frauen gleichzeitig versorgen. Bei einer dritten Patientin muss innerhalb von einer Stunde eine weitere Hebamme per Rufdienst hinzugezogen werden. Gelingt dies nicht, darf die Hebamme die dritte Frau zwar betreuen, eine Bezahlung kann sie jedoch nicht verlangen. Hiervon betroffen sind ausschließlich Beleghebammen, also Freiberuflerinnen, die in Kliniken arbeiten, ihre Leistungen aber direkt mit den Krankenkassen abrechnen. Dagegen können festangestellte Hebammen auch weiterhin so viele Frauen gleichzeitig betreuen, wie sie es sich zumuten. Insofern wird dann eine Betreuung im am Kreißsaal davon abhängig sein, ob die gerade diensthabende Hebamme Freiberuflerin oder Angestellte ist.
Gerade im teuren München lassen sich nur wenige Hebammen für einen Bruttolohn von 2700 Euro fest anstellen. Das einträglichere Belegsystem ist für die Hebammen reizvoller. Zuletzt stieg die Zahl der von Beleghebammen begleiteten Geburten in München laut DHV von 29,5 Prozent im Jahr 2014 auf zuletzt 47,8 Prozent im Jahr 2016. Im deutschlandweiten Vergleich verantworten Beleghebammen dagegen nur 20 Prozent der Geburtshilfe.
In einer Pressemitteilung begründet der GKV-Spitzenverband die neue Regelung mit einer "besseren Betreuung für werdende Mütter", denn Schwangere könnten so individueller versorgt werden. Dies trifft jedoch nicht die Realität in Münchner Kreißsälen, wo die nötigen Hebammen fehlen. Der Bayerischen Hebammen-Landesverband bezweifelt die individuellere Betreuung für schwangere Frauen in Deutschland als Motivation der GKV, denn dann müsse der maximale Betreuungsschlüssel von eins zu zwei auch für festangestellte Hebammen gelten.
Die für die Krankenkassen teureren Beleghebammen sind stinksauer. Sie fürchten, man wolle sie aussterben lassen. Auch die Ärzte befürchten, dass mit dem Inkrafttreten der neuen Regelung etwa ein Drittel der Münchner Frauen nicht mehr betreut werden. Zwar will die Stadt München den Frauen, die keine Hebamme für Hausbesuche von Mutter und Kind im Wochenbett gefunden haben, über eine Notfall-Hotline spontan freigewordene Kapazitäten vermitteln, doch dafür muss das Kind erst einmal auf die Welt gebracht werden.