Ca. 1,1 Millionen Flüchtlinge haben nun in Deutschland Schutz gesucht. Bevor sich diese Menschen in die Gesellschaft integrieren können, muss darüber entschieden werden, ob sie bleiben dürfen. Zuständig dafür sind die Verwaltungsgerichte.
Die Verwaltungsgerichte aber sind derzeit vollkommen überlastet. Zusätzlich zu der Welle unbearbeiteter Asylanträge, die die Gerichte vor sich her schieben, entsteht Arbeit dadurch, dass sich die Zahl der Klagen gegen abgelehnte Asylanträge stark erhöht hat. Für eine zügige Abarbeitung fehlt das Personal.
Personalaufstockungen sind den Mitarbeitern der Verwaltungsgerichte oft versprochen worden. Zu wenig Personal aber wurde tatsächlich eingestellt. Täglich arbeiten die Beamten viele Anträge ab, trotzdem steigt die Zahl der unbearbeiteten Fälle ständig an – eine frustrierende Situation. Folge sind u.a. hohe Krankenstände, die das Problem weiter verschärfen.
Um der steigenden Zahl der Asylverfahren Herr zu werden, reagierten die Verwaltungsgerichte mit Umstrukturierungen. Beispielsweise werden nun bestimmte Herkunftsländer jeweils von einer Kammer bearbeitet, die sich besonders in die Gegebenheiten dieses Landes einarbeitet.
Das ist notwendig, weil Verwaltungsgerichte, anders als Zivilgerichte, nicht allein nach Aktenlage entscheiden dürfen. Sie sind verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln, d.h. aufzuklären, ob das, was ein Geflüchteter vorträgt, den Tatsachen entspricht. Dazu müssen zusätzlich zu den Akten und den Aussagen der Antragsteller weitere Informationsquellen herangezogen werden. Dies sind z.B. Informationen des Auswärtigen Amtes, der Botschaften in den Herkunftsländern, von Hilfsorganisationen oder Sachverständigengutachten.
Manche Akten sind auf diese Weise mehr als 100 Seiten dick, sie beinhalten Bilder, manchmal auch Videos. Die Sorgfalt, mit der eine Entscheidung getroffen werden muss – immerhin geht es in jedem einzelnen Fall um ein Menschenschicksal – bringt es mit sich, dass ein Klageverfahren im Schnitt knapp 13 Monate dauert, Asyl-Eilverfahren immer noch 1,5 Monate.
Da ein Klageverfahren nach deutschem Recht die Abschiebung nicht aussetzt, werden parallel zu vielen Verfahren zusätzlich Eilanträge auf aufschiebende Wirkung der Klage gestellt, die für zusätzliche Arbeitsbelastung sorgen.
Und ein weiterer Umstand verschärft die Situation: zusätzlich zu den Geflüchteten aus den Kriegsgebieten gab und gibt es eine Reihe von Menschen, die aus den Balkanstaaten nach Deutschland kommen und Asylanträge stellen. Da die Balkanstaaten ausnahmslos als sicher gelten, haben solche Asylanträge in aller Regel keine Aussicht auf Erfolg – Ausnahme sind Fälle schwerster gesundheitlicher Probleme, die im Herkunftsland nicht behandelt werden können. Diese Anträge müssen aber ebenfalls mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet werden.
„Nadelöhr“ der Bearbeitung sind nun aber weniger die Richterinnen und Richter der Verwaltungsgerichte, die sogar an den Wochenenden arbeiten, um ihrer Aktenberge Herr zu werden. „Nadelöhr“ ist vielmehr der mittlere Dienst – also die Beamten, die die Schriftsätze verfassen, Terminsachen überwachen, Ladungen verschicken, Sachverständige organisieren – kurz, die Mitarbeiter, die die Akten führen und die Schreibarbeit erledigen. Vor allem bei ihnen fehlt massiv Personal.
Den Vorschlag, hier ehemalige Mitarbeiter der Verwaltung aus dem Ruhestand zurückzuholen, befürworten die Verantwortlichen allerdings nicht. Zuviel hat sich in diesem Berufsfeld in wenigen Jahren geändert, v.a. durch die neue IT, die Arbeitsabläufe massiv umstrukturiert hat.
Außerdem würde das am eigentlichen Problem nichts ändern: das nämlich in diesem Bereich jahrelang Personal eingespart wurde. Hier wäre aus Sicht der Personalverantwortlichen vor allem anzusetzen: Neue, junge Leute müssten ausgebildet und eingestellt werden. Die jahrelange Sparpolitik hilft niemandem.