Obwohl die Industrie den Deutschen schon jetzt mehr Vitamine verkauft als sie bräuchten, sollen nun auch noch die Ärzte den Vertrieb der Vitamine unterstützen. Deutschland ist der größte Markt in Europa für Vitaminpräparate und all die Nahrungsergänzungsmittel, die Menschen angeblich fitter machen. Die Bürger geben mehr als 1,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr für ihre persönlichen Wundermittel aus, erklärt das Marktforschungsinstitut IMS Health. Die Verbraucherzentrale fand mit einer Forsa-Umfrage heraus, dass jeder fünfte Deutsche solche Nahrungsergänzungsmittel schluckt.
Dabei betont die Deutsche Gesellschaft für Ernährung immer wieder, dass dies überhaupt nicht notwendig ist. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist ausreichend mit Vitaminen versorgt. Die Gefahr einer Unterversorgung besteht nur bei einigen Risikogruppen wie Schwangeren, Säuglingen oder Extremsportlern. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung wirft der Industrie vor, einen Mythos um den Vitaminmangel aufzubauen, damit die Leute Pillen schlucken, Brausetabletten auflösen und Pulver vermischen. Dabei sind neben den großen Pharma- und Chemiekonzernen wie Pfizer und DSM auch Mittelständler wie Doppelherz und Orthomol oder unseriöse und kaum durchschaubare Internethändler.
Nun wollen Hersteller wie Magnesiummarktführer Queisser Pharma auch an Arztpraxen herantreten und sich damit eine weitere Werbequelle erschließen. Ein Team von Außendienstmitarbeitern soll gezielt Arztpraxen abklappern und dort über die Produkte aus dem Haus informieren. Doppelherz konnte so vor einigen Jahren schon den Weg in die Apotheken finden, denn „die Empfehlung, auf die der Patient am meisten Wert legt, ist die des Arztes“, so Queisser Pharma. Die Verbraucherzentrale fand in einer Umfrage unter Patienten heraus, dass ihr Arzt ihnen schon mal Proben von Nahrungsergänzungsmitteln oder eines Vitaminpräparates angeboten habe. Davon kauften 17 Prozent der Patienten das Produkt daraufhin auch. Doch nach ihrer Berufsordnung dürfen Ärzte keine Waren an ihre Patienten austeilen, kritisiert die Verbraucherzentrale.
Dabei hat die Partnerschaft der Industrie mit der Wissenschaft schon eine lange Tradition. So finanzieren die Konzerne Lehrstühle an deutschen Universitäten oder teilweise auch Institute, achten dabei jedoch selten auf Unabhängigkeit. So sitzen im Vorstand der Gesellschaft für Vitaminforschung nicht nur Vertreter der Chemiekonzerne BASF und DSM, sondern auch der Pharmakonzern Pfizer und der Langenfelder Nahrungsergänzungshersteller Orthomol. Die von den großen Herstellern finanzierte Gesellschaft betreibt Forschung und Kongresse.