Obwohl die EZB den Markt mit Geld überflutet hatte, konnte das Ziel einer Teuerung von knapp zwei Prozent im September nicht erreicht werden. So stiegen die Verbraucherpreise im Vorjahresmonat nur um 1,5 Prozent und damit laut den veröffentlichten Daten des Statistikamts Eurostat genauso stark wie im August. Somit kommt der Preisauftrieb gerade zu einer Zeit ins Stocken, in der die Währungshüter über die Zukunft des billionenschweren Anleihekaufprogramms nachdenken, um die niedrige Inflation zu bekämpfen. Derzeit soll der EZB-Rat diskutieren, ob angesichts des Aufschwungs im Euroraum ein Enddatum für die Käufe festgelegt oder nur der monatliche Umfang verringert werden soll. Dabei müsse nach Ansicht des EZB-Chefvolkswirt Peter Praet der Rat vorsichtig bei einer Normalisierung der Geldpolitik vorgehen, um eine Überreaktion der Märkte zu vermeiden.
Auch der Commerzbank-Ökonom Christoph Weil meint, dass die EZB viel Geduld bei der Inflation brauche. Allerdings sei „ein nachhaltig höherer Preisauftrieb angesichts der nur verhalten steigenden Löhne nicht zu erwarten.“ Zudem werde die Aufwertung des Euro mit zeitlicher Verzögerung auch den Anstieg der Preise für Waren außerhalb des Energiesektors bremsen. Jedoch sei die Inflation bei Dienstleistungen "markant" höher als jene bei industriellen Gütern außerhalb des Energiesektors, befürchtet die Allianz-Expertin Claudia Broyer. In der Weltwirtschaft wirken nach wie vor preisdämpfende Kräfte. Dagegen stellt sich im mehr binnenwirtschaftlich beeinflussten Servicebereich eine Normalisierung der Preisentwicklung ein. All dies spreche für die Rückkehr in ein "gesundes Preisumfeld" in Europa. Obwohl die EZB ihre Zielvorgabe noch nicht ganz erreicht hat, könne sie recht zufrieden sein.
Die für Aufschwungzeiten erstaunlich niedrige Inflation hatte nach dem EZB-Vizechef Vitor Constancio den Währungshütern "Rätsel" aufgegeben. Für den gedämpften Preisauftrieb machen Experten auch die Globalisierung und Digitalisierung verantwortlich. So drängen Billigimporte aus Schwellen- und Entwicklungsländern auf den Markt und die weit verbreitete Gratis-Kultur im Internet wirke auf die Inflation. Dennoch werde nach Prognosen der EZB-Fachleute die Notenbank ihr Inflationsziel trotz der Anschubhilfe durch die große Geldflut bis zum Ende des Jahrzehnts nicht erreichen können. Aktuell kauft sie Monat für Monat Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von 60 Milliarden Euro. Die auf 2,3 Billionen Euro angelegten Käufe sollen bis Ende des Jahres stattfinden. Führende deutsche Forschungsinstitute gehen davon aus, dass die EZB die Käufe 2018 binnen neun Monaten auslaufen lassen wird.