Kürzlich hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter dem Motto "Think twice, seek advice" ("Denke nach und suche Rat") auf das weltweite Problem der Antibiotika-Resistenzen aufmerksam gemacht und um sorgsamen Umgang mit diesen kostbaren Medikamenten geworben. Zwar richtet sich die Kampagne hauptsächlich an die Allgemeinheit, doch sie soll auch Ärzte zum rationalen Einsatz von Antibiotika bewegen.
Wird das Motto mit "denke noch einmal nach" übersetzt, soll damit ein Innehalten, eine zumindest kurze Unterbrechung der Routine erreicht werden. Wird der Mediziner seinem ersten Impuls und Gewohnheiten folgen, die sich über Jahre ärztlicher Tätigkeit eingeschliffen haben und ein Antibiotikum verschreiben, wenn er einen Patienten vor sich hat, der stark hustet und dazu noch Fieber hat? Oder soll er doch besser innehalten und noch einmal darüber nachdenken. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, sich zu erinnern, dass in dieser Situation meistens Viren für die Symptome verantwortlich sind. Diese Krankheitserreger sind mit Antibiotika nicht behandelbar, weshalb sich der Arzt den Patienten vielleicht noch einmal genauer anschauen wird, ihm noch spezifischere Fragen stellen und ihn gezielter untersuchen wird. Dieses Vorgehen ist zwar zeitintensiver, doch damit kann ein ungerechtfertigter Gebrauch von Antibiotika vermieden werden.
Obwohl das Auftreten von Antibiotikaresistenzen nicht vermeidbar ist, muss das Vorkommen resistenter Krankheitserreger minimiert werden. Dabei kommt dieser Abwehrmechanismus von Bakterien auch ohne den Einsatz von Antibiotika überall in der Natur vor. Zur Minimierung von Resistenzen sind verbesserte Hygiene sowie ein reduzierter Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung geeignete Maßnahmen. Aber gerade der sorgsame Einsatz von Antibiotika durch Ärzte ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen resistente Erreger. Schließlich besteht zwischen dem Gebrauch von Antibiotika und der Entstehung resistenter Bakterien ein direkter Zusammenhang. So hat der breite, ungezügelte Einsatz, häufig ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Verschreibung, weltweit bereits zu einer weiten Verbreitung hoch resistenter Erreger geführt, für die teilweise keine Medikamente mehr zur Verfügung stehen. Dabei befindet sich Deutschland noch in einer vergleichsweise günstigen Situation. Nur ein kleiner Teil der Infektionskrankheiten wurde durch eine Infektion mit multiresistenten Erregern verursacht.
Doch auch der zweite Teil des WHO-Mottos "suche Rat" ist bedeutungsschwer. In vielen anderen Ländern wird Antibiotika ohne ärztliche Verordnung eingenommen. Ebenso wichtig ist aber auch, dass der ärztliche Rat befolgt wird. Außerdem sollten sich Ärzte bei komplizierten Infektionen oder bei Patienten mit komplexen Erkrankungen, wie sie vor allem in Kliniken auftreten, mit erfahrenen Kollegen austauschen. Von einem solchen Konsil durch Infektiologen, also Ärzten mit speziellen Kenntnissen über Infektionskrankheiten, kann das Überleben eines Patienten abhängen.