Hanno Berger ist als teuerster Aussteiger aus der deutschen Finanzverwaltung bekannt. Er hatte mehr als zehn Jahre beim Finanzamt Frankfurt gearbeitet, prüfte Banken, arbeitete sich zum Regierungsdirektor empor. Weil er jedoch mehr Geld verdienen wollte, verließ er den Staatsdienst und begann bei einer Rechtsanwaltskanzlei zu arbeiten. Dort nutzte er seine tiefen Einblicke in tatsächlichen und vermeintlichen Steuerschlupflöcher und strickte seitdem gewagte Anlagemodelle für reiche Anleger.
Zuletzt beschäftigte sich in Berlin ein Untersuchungsausschuss mit Hanno Berger und den sogenannten Cum-Ex-Tricks, bei denen sich Anleger eine einmal gezahlte Steuer mehrfach erstatten lassen. Berger gilt als Pate der Konstruktion, mit deren Hilfe der Staat um mehr als zehn Milliarden Euro geprellt worden sein soll.
Mittlerweile sind Finanzbeamte, die aus finanziellen Gründen die Seite wechseln und ihr Insiderwissen in den Dienst der Steuervermeidung stellen, für den Fiskus zu einem Systemrisiko geworden. So verlassen hunderte versierte Finanzbeamte jährlich die Amtsstuben. Im Jahr 2017 haben allein in Bayern insgesamt 255 Beamte den Staatsdienst verlassen. Aufsehenerregend waren diese Seitenwechsler jedoch nur selten, anders als bei zwei leitenden Steuerfahndern aus Wuppertal Anfang dieses Jahrs. Ihr neuer Arbeitgeber ist die Unternehmensberatung Deloitte, wo sie weit mehr verdienen als beim Staat. Tatsächlich sind ihre Kenntnisse für den neuen Arbeitgeber Gold wert, helfen ihre Insider-Kenntnisse nun den Millionären und Konzernen, Steuern zu vermeiden, als diese für den Staat einzutreiben.
Derzeit gibt es viele attraktive Alternativen für ambitionierte Finanzbeamte. So können Steuerprüfer ganze Firmen umgestalten und damit helfen, Steuern zu sparen, Generationswechsel zu gestalten oder Fusionen und Risiken steuerlich zu optimieren. Auf dieses Phänomen haben nun auch die Finanzminister mit Sorge reagiert. Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) leitet aktuell die Runde der 16 Landesfinanzminister bemerkt, dass das Wissen seiner Experten, die sich auf die Prüfung von Immobilienfonds, IT-Unternehmen oder Reedereien spezialisiert haben, auch woanders sehr gefragt sind.
Die Aussteiger verschärften das bestehende Personalproblem. Bereits heute seien Tausende Stellen unbesetzt und ein Drittel der Beamten scheide in den nächsten Jahren altersbedingt aus, was bei jedem Verwaltungsflüchtling umso schwerer wiegt. Somit drohe ein Ausbluten der Finanzverwaltung, die aber so etwas wie die Herz-Kreislauf-Maschine des Staates ist. Denn ohne die mehr als 750 Milliarden Euro, die der Fiskus allein in diesem Jahr für Bund, Länder und Kommunen eintreiben wird, könnten weder Straßen gebaut noch Schulen betrieben werden.