In München und dem Umland werden mittlerweile siebzehn Erdwärme-Anlagen betrieben, drei weitere werden gerade gebaut. Dazu wird aus Bohrlöchern, die bis zu sechs Kilometer in den Untergrund reichen, kochend heißes Thermalwasser an die Oberfläche gefördert. Die stets verfügbare Wärme aus der Erdkruste kann ganze Stadtteile beheizen und produziert Strom ohne Treibhausgase oder Atommüll. Doch diese Art der Energiegewinnung ist eher unbeliebt und wird oft bekämpft.
Kritiker warnen vor einer langen Liste von Schadensfällen und auch das Bohren in die Tiefe sei keineswegs sicher. Befürworter widersprechen mit Hinweis auf die Statistik. So habe sich die Technik in mehr als 350.000 Fällen bewährt, wie der Branchenverband errechnet hatte. Die Einzelfälle in denen die Technik versagt hatte, betreffen beispielsweise Leonberg bei Stuttgart, wo vor Jahren Häuser absackten. In Wiesbaden wurde eine Wasserblase angebohrt, in Landau und Basel bebte die Erde, doch am schlimmsten traf es die Fachwerkstadt Staufen südlich von Freiburg. Dort gelangte vor zehn Jahren bei einer Bohrung in geringer Tiefe Wasser in eine quellfähige Gipskeuper-Schicht. Danach hob sich der Untergrund wie ein aufgehender Hefeteig und an mehr als 250 Häusern entstanden Risse. Viele Bürger fürchteten angesichts dieser Folgen entsprechende Eingriffe in den Untergrund und lehnten daher die Geothermie kategorisch ab.
Doch nun erlebt die Technik ein Comeback durch die Anlagen im Münchner Umland. Die Stadtwerke München wollen bis zum Jahr 2040 sogar vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen. Doch drei Tage vor der feierlichen Kongresseröffnung der jährlichen Tagung des Bundesverbands Geothermie kam es zu einem leichten Beben mit der Stärke 2,1 in Poing im Landkreis Ebersberg. Das dortige Werk wurde auf Drängen der Gemeinde abgeschaltet, denn es waren nicht die ersten ihrer Art in dem Landkreis. Schon im Dezember 2016 und im Januar dieses Jahres bebte dort die Erde. Zwar passierte nichts Dramatisches, doch die Erschütterung kam zur Unzeit. Dieses Mal jedoch tauchten Risse auf, die sich durch das Landratsamtsgebäude, eine Schule und etliche Privathäuser zogen.
Daraufhin wurde Poing zum Hauptthema auf dem Kongress und auch in der Pressekonferenz drehten sich beinahe alle Fragen darum. Das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover beschwichtigte, das Beben sei nichts, wovor man sich fürchten müsse. Doch obwohl die Erdstöße weit weg vom Bohrloch aufgetreten seien, sprächen die Indizien klar für die Geothermie als Verursacher. Tatsächlich sind Vorfälle wie in Poing die Ausnahme. In Grünwald beispielsweise ging 2009 ein Geothermiewerk in Betrieb, Komplikationen gab es bislang keine.