Für berufstätige Eltern ist ein Virus nicht nur lästig, sondern kann auch schon mal Panik auslösen: Wer betreut das kranke Kind, wenn es nicht in den Kindergarten oder die Schule kann? Scheinbar eine unlösbare Aufgabe, denn immer öfter tauchen Kinder auch in krankem Zustand bei den Erziehern und Lehrern auf. So stellt die Hamburger Schulbehörde fest, „dass bei Grippewellen mehr kranke Kinder zur Schule geschickt werden als noch vor zehn Jahren". Dabei seien Eltern verpflichtet, ihre kranken Kinder zu betreuen - allein schon, um andere Kinder nicht anzustecken.
Doch für viele Familien gestaltet sich das schwierig. Omas und Opas wohnen oft weit weg oder sind selber berufstätig. Das System hat sich auf die frühere Berufsrückkehr der Mütter noch nicht zufriedenstellend auf die „neue“ Situation eingestellt. Zwar haben Eltern Anspruch auf zehn Kinderkrankentage im Jahr, die sind jedoch gerade bei kleinen Kindern schnell aufgebraucht.
So hat der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) eine alte Idee wieder hervorgekramt: Schulkrankenschwestern könnten Schüler, die sich während des Unterrichts krankmelden, zumindest kurzzeitig pflegen. Damit könnten sich kranke Kinder unter Aufsicht für ein paar Stunden aufs Sofa legen und heißen Tee trinken. Schulkrankenschwestern gehören in vielen Schulen Großbritanniens, Israels und Skandinaviens sogar zur Grundversorgung. In Hamburg gab es auch schon einmal eine Krankenschwester an der Klosterschule im Stadtteil St. Georg. Sie kümmerte sich meistens um Kinder mit Bauch- oder Kopfweh oder um aufgeschlagene Knie, doch ihre Stelle wurde nach ihrem Ausscheiden in die Rente aus finanziellen Gründen nicht wieder besetzt.
Das Deutschen Jugendinstitut (DJI) fordert ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft. "Das ganze System beruht ja auf der Fiktion, dass da noch irgendwo Frauen im Hintergrund sind", Es müsse ein Interesse an Gemeinschaft und an geteilter Last geben. So könnte eigentlich die Nachbarin auf ein krankes Kind aufpassen, denn schließlich kenne sie es schon. Doch genossenschaftliche Wohnformen, Mehrgenerationen-Projekte oder Netzwerke unter den Nachbarn sind noch selten. Gerade in Großstädten sind Nachbarschaftskontakte so gering und das Zusammenleben anonym, dass private Initiativen gegründet wurden.
So bietet beispielsweise der gemeinnützige Verein "Notmütterdienst" in Köln, Hamburg, Frankfurt und Berlin für 15 Euro pro Stunde Betreuung zu Hause an. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen einen Teil der Kosten, manchmal übernimmt sie sogar das Jugendamt. Daneben gibt es in sechs Großstädten die als Krankenschwestern und Erzieher ausgebildeten "Notfallmamas" für 35 Euro pro Stunde und in München der ehrenamtlich besetzte Verein "Zu Hause gesund werden" für 6,50 Euro pro Stunde.
Das DJI fordert neben derartigen „Back-up-Systemen“ vor allem auch Entgegenkommen auf betrieblicher Ebene für Familien mit kranken Kindern. Verlässliche Vereinbarungen in den Unternehmen seien sinnvoller als die Einführung zusätzlicher Kinderkrankentage, da diese für den einen zu wenig und für den anderen zu viel sind.